Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
Vom Netzwerk:
der muß ja mit allen Sorten von Gelehrsamkeit förmlich vollgepackt sein, stell dir das mal vor, vollgepackt.
    Sie sucht ein hinreißendes Buch mit farbigen Bildern über englische Gärten heraus. Sie sagt,
ich weiß, was er in der Fischerei-Abteilung mag, und wählt ein Buch, das Dem irischen Lachs auf der Spur heißt, von Brigadegeneral a. D. Hugh Colton. Oh, sagt die Bibliothekarin, er liest Hunderte von Büchern über englische Offiziere, die in Irland angeln. Ich habe aus reiner Neugier auch ein paar gelesen, und man versteht sofort, warum diese Offiziere froh sind, wenn sie nach allem, was sie sich in Indien und Afrika und an anderen verzweifelten Orten haben bieten lassen müssen, in Irland sind. Zumindest sind die Menschen hier höflich. Dafür sind wir bekannt, die Höflichkeit, wir laufen hier schließlich nicht herum und bewerfen die Leute mit Speeren.
    Laman liegt im Bett, liest seine Bücher und spricht vom Speicher herab mit uns über den Tag, an dem seine Beine heilen werden und er dort hinten im Freien stehen und einen Garten pflanzen wird, der weit und breit für seine Farbenpracht und Schönheit berühmt sein wird, und wenn er mal nicht gärtnert, wird er die Flußniederungen um Limerick durchstreifen und einen Lachs nach Hause bringen, daß euch das Wasser im Munde zusammenläuft. Seine Mutter hat ihm ein Lachsrezept hinterlassen, welches ein Familiengeheimnis ist, und wenn er die Zeit hätte und seine Beine ihn nicht umbrächten, würde er es irgendwo in diesem Hause finden. Er sagt, jetzt, da ich verläßlich bin, kann ich mir auch jede Woche
ein Buch holen, schlepp mir aber keinen Schmutz und Schund ins Haus.
    Ich möchte wissen, was der Schmutz und Schund ist, aber er will es mir nicht sagen, also muß ich es selbst herausfinden.
    Mam sagt, sie würde auch gern Mitglied bei der Leihbücherei werden, aber von Lamans Haus ist es so weit bis dorthin, zwei Meilen, und würde es mir was ausmachen, ihr jede Woche ein Buch zu holen, einen Roman von Charlotte M. Brame oder von einer anderen angesehenen Schriftstellerin. Sie möchte keine Bücher über englische Offiziere auf der Suche nach Lachs und keine Bücher über Leute, die sich gegenseitig totschießen. Es gibt schon genug Elend auf der Welt, ohne daß man auch noch über Menschen liest, die den Fischen und sich gegenseitig das Leben zur Hölle machen.
     
     
    Oma hat sich in der Nacht, als wir den Ärger mit dem Haus in der Roden Lane hatten, erkältet, und aus der Erkältung wurde eine Lungenentzündung. Sie wurde ins Städtische Heimkrankenhaus gebracht, und jetzt ist sie tot.
    Ihr ältester Sohn, mein Onkel Tom, dachte, er geht nach England, um dort wie andere Männer aus den Gassen von Limerick zu arbeiten, aber seine Schwindsucht hat sich verschlimmert, und
da ist er nach Limerick zurückgekommen, und jetzt ist er tot.
    Seine Frau, Galway-Jane, folgte ihm nach, und vier ihrer sechs Kinder mußten ins Waisenhaus. Der älteste Junge, Gerry, ist von zu Hause weggelaufen und zur irischen Armee gegangen, desertiert und zur englischen Armee übergelaufen. Das älteste Mädchen, Peggy, ist zu Tante Aggie gezogen und lebt dort unter Qualen.
    Die irische Armee sucht Knaben, die musikalisch sind und sich gern in der Militärmusikschule ausbilden lassen möchten.
    Mein Bruder, Malachy, besteht die Aufnahmeprüfung und geht nach Dublin, um Soldat zu werden und Trompete zu spielen.
    Jetzt habe ich nur noch zwei Brüder zu Hause, und Mam sagt, ihre Familie schwindet vor ihren sehenden Augen dahin.

13
    Jungens aus meiner Klasse in Leamy’s Schule wollen übers Wochenende eine Radtour nach Killaloe machen. Sie sagen mir, ich soll mir ein Fahrrad leihen und mitkommen. Ich brauche nur eine Decke, ein paar Löffel Tee und Zucker und ein paar Scheiben Brot, um nicht schlappzumachen. Radfahren lernen werde ich jede Nacht auf dem Fahrrad von Laman Griffin, wenn er im Bett ist, und bestimmt leiht er es mir für die zwei Tage in Killaloe. Die beste Zeit, ihn um etwas zu bitten, ist Freitagnacht, wenn er nach seinem Trinkabend und seinem Abendessen guter Stimmung ist. Genau dieses Abendessen bringt er in den Manteltaschen mit, ein großes, bluttriefendes Steak, vier Kartoffeln, eine Zwiebel, eine Flasche Stout. Mam kocht die Kartoffeln und brät das Steak mit Zwiebelscheiben. Er behält den Mantel an, setzt sich an den Tisch und ißt das Steak mit den Händen. Das Fett und das Blut kullern ihm das Kinn herunter und auf den Mantel, an dem er sich die Hände

Weitere Kostenlose Bücher