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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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stets und stets vonernstem Brauch –
    Wer in die Schule ging, gab acht (und wer sie schwänzte, auch),
    Denn jedes Zucken jeder Runzel war von einigem Gewicht;
    Des Tages Katastrophen las man früh schon im Gesicht.
    Die Schüler lachten gründlich laut mit vorgetäuschter Wonne
    Über jeden Pökelwitz aus seiner großen Tonne.
    Gewisper, Tuscheln scharf erklang als Warnung vor dem Alten,
    Unfrohe Botschaft barg es stets, zog er die Stirn in Falten. Ref 32
    Er schließt immer die Augen und lächelt, wenn wir zu den letzten Zeilen kommen:
    Zwar war er freundlich, und verließ ihn doch je die Geduld,
    So war meist nur die Liebe zur Gelehrsamkeit dran schuld.
    Man lobte ihn im ganzen Dorf, man pries ihn fern und nah:
    Die Rechtschreibung beherrschte er, sogar die Algebra.
    Ländergrenzen kannte er, Gestirne und Gezeiten,
    Luftdruck messen könne er, hieß es, und Blitz ableiten.
    Ganz besonders blühte auf der Lehrer im Dispute,
    Und selbst wenn er bezwungen war, gab er nicht nach, der Gute,
    Ließ donnernd kluge Wörter frei in immer läng’ren Sätzen.
    Das Landvolk starrte stumm ihn an in Staunen und Ergetzen.
    Und immer weiter starrten sie: Wie kann denn so was sein?
    Wie paßt in diesen kleinen Kopf so großes Wissen rein?
    Wir wissen, daß er diese Stelle liebt, weil es da um einen Dorfschulmeister geht, um ihn selbst, und er hat recht, denn wir fragen uns tatsächlich, wie so großes Wissen in so einen kleinen Kopf reinpaßt. Er sagt, ach, ihr Buben, ihr Buben, immer mit dem Kopf durch die Wand, so ist’s recht, aber richtet ihn vorher gut ein. Hört ihr mir überhaupt zu? Richtet euren Kopf ein, und ihr könnt prangend durch die Welt wandeln. Clarke, definiere prangend.
    Ich glaube, es bedeutet glänzend.

    Markig, Clarke, aber angemessen. McCourt, bilde uns einen Satz mit markig.
    Clarke ist markig, aber angemessen, Sir.
    Geschickt, McCourt. Du hast einen Kopf für die Priesterschaft, mein Junge, oder für die Politik. Denke darüber nach.
    Ja, Sir.
    Sag deiner Mutter, ich möchte mit ihr sprechen.
    Ja, Sir.
    Mam sagt, nein, ich könnte Mr. O’Halloran nie in die Nähe kommen. Ich habe kein anständiges Kleid und keinen ordentlichen Mantel. Weshalb will er denn mit mir sprechen?
    Weiß ich nicht.
    Dann frag ihn.
    Kann ich nicht. Wenn er sagt, bring deine Mutter her, dann bringt man die Mutter hin, oder der Stock kommt raus.
    Sie kommt mit und spricht mit ihm auf dem Flur. Er sagt ihr, daß ihr Sohn, Frank, mit der Schule weitermachen muß. Er darf nicht in die Botenjungenfalle tappen. Das führt nirgendwohin. Nehmen Sie ihn mit zu den Christlichen Brüdern, sagen Sie ihnen, ich habe Sie geschickt, sagen Sie ihnen, er ist ein aufgeweckter Junge und gehört auf die höhere Schule und dann auf die Universität.
    Er sagt ihr, er ist nicht Schulleiter von Leamy’s
National School geworden, um einer Botenjungenakademie vorzustehen.
    Mam sagt, vielen Dank, Mr. O’Halloran.
    Ich wünschte, Mr. O’Halloran wollte sich um seinen eigenen Kram kümmern. Ich will nicht zu den Christlichen Brüdern. Ich will für alle Zeiten von der Schule abgehen und mir einen Job suchen, jeden Freitag meinen Lohn kriegen und Samstag abends ins Kino gehen wie jeder.
    Ein paar Tage später sagt mir Mam, ich soll mir ordentlich Gesicht und Hände waschen, wir gehen zu den Christlichen Brüdern. Ich sage ihr, ich will da nicht hin, ich will arbeiten, ich will ein Mann sein. Sie sagt mir, ich soll aufhören zu winseln, ich werde auf die Oberschule gehen, und wir alle schaffen das schon irgendwie. Ich werde auf die Schule gehen, und wenn sie Fußböden schrubben muß, und an meinem Gesicht übt sie schon mal.
    Sie klopft bei den Christlichen Brüdern an die Tür und sagt, sie möchte mit dem Vater Superior sprechen, Bruder Murray. Er kommt an die Tür, sieht meine Mutter und mich an und sagt, was?
    Mam sagt, dies ist mein Sohn, Frank. Mr. O’Halloran von Leamy’s Schule sagt, er ist aufgeweckt und ob vielleicht die Möglichkeit bestehe, daß er hier auf die Oberschule geht.
    Wir haben keinen Platz für ihn, sagt Bruder Murray und knallt uns die Tür vor der Nase zu.

    Mam dreht sich von der Tür weg, und der Weg nach Haus ist lang und still. Sie zieht den Mantel aus, macht Tee, setzt sich ans Feuer. Hör mir zu, sagt sie. Hörst du mir zu?
    Ja.
    Das ist das zweite Mal, daß dir die Kirche die Tür vor der Nase zugeschlagen hat.
    Ja? Weiß ich gar nicht mehr.
    Stephen Carey hat dir und deinem Vater gesagt, daß du nicht Meßdiener werden

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