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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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wenn das Postamt Leute wie dich anstellt, muß das Postamt auf dem letzten Loch pfeifen, geh runter und setz den Kessel auf.
    Das Zweitschlimmste ist, wenn man draußen auf dem Hinterhof den Kessel unter dem Wasserhahn vollmacht, und der Mond scheint nur so, und Kathleen Purcell von nebenan hockt auf der Mauer, weil sie ihre Katze sucht. Gott, Frankie McCourt, was treibst du da im Kleid deiner Großmutter, und man muß da in dem Kleid mit dem Kessel in der Hand stehen und erklären, wie man seine Sachen gewaschen hat, welche da jetzt auf der Wäscheleine hängen, wo sie jeder sehen
kann, und im Bett war einem so kalt, daß man das Kleid der Großmutter anziehen mußte, und dann fiel Onkel Pat, genannt Abt, hin und wurde von Tante Aggie und ihrem Mann, Pa Keating, nach Hause gebracht, und sie hat einen auf den Hinterhof gescheucht, damit man diesen Kessel vollmacht, und man wird dieses Kleid ausziehen, sobald endlich mal die Klamotten getrocknet sind, weil man nie auch nur den allergeringsten Wunsch verspürte, im Kleid der toten Großmutter durchs Leben zu gehen.
    Jetzt stößt Kathleen Purcell einen Schrei aus, fällt von der Mauer, vergißt die Katze, und man kann hören, wie sie an ihre blinde Mutter hinkichert, Mammy, Mammy, rate mal, was Frankie McCourt auf dem Hinterhof mit dem Kleid seiner toten Großmutter treibt. Man weiß, daß, wenn Kathleen Purcell ein winziges Stückchen Skandal mitkriegt, die ganze Gasse es vor Tagesanbruch wissen wird, und man könnte genausogut den Kopf aus dem Fenster halten und eine allgemeine Erklärung zum Thema Ich und die Sache mit dem Kleid abgeben.
    Bis der Kessel kocht, ist der Abt von den Getränken eingeschlafen, und Tante Aggie sagt, sie und Onkel Pa werden jetzt ihrerseits ein Tröpfchen Tee trinken, und sie hat nichts dagegen, wenn ich meinerseits auch ein Tröpfchen Tee trinke. Onkel Pa sagt, wenn er es recht bedenkt,
könnte das schwarze Kleid die Soutane eines Dominikanerpriesters sein, und er kniet nieder und sagt, segnen Sie mich, Herr Pfarrer, denn ich habe gesündigt. Tante Aggie sagt, steh auf, du alter Tölpel, und mach dich nicht über die Religion lustig. Dann sagt sie, und du, was machst du in diesem Haus?
    Ich kann ihr nichts über Mam und Laman Griffin und die Aufregung auf dem Speicher erzählen. Ich sage ihr, ich hätte mir überlegt, wegen der großen Entfernung von Lamans Haus zum Postamt erst mal ein Weilchen hier unterzukommen, und sobald ich auf eigenen Beinen stehe, finden wir bestimmt was Anständiges zum Wohnen, und dann ziehe ich mit Mutter und Brüdern und allem dahin.
    Na, sagt sie, das ist immerhin mehr, als was dein Vater täte.

15
    Es ist schwer zu schlafen, wenn man weiß, daß man am nächsten Tag vierzehn ist und seinen ersten Job als Mann antritt. Im Morgengrauen weckt mich stöhnend der Abt. Ob ich ihm wohl etwas Tee mache, und wenn ich gerade dabei bin, kann ich eine dicke Scheibe von dem halben Laib Brot in seiner Manteltasche abkriegen, wo er es aufbewahrt, damit es vor der gelegentlichen Ratte in Sicherheit ist, und wenn ich in Omas Grammophon nachsehe, wo sie die Schallplatten hatte, werde ich ein Glas Marmelade finden.
    Er kann nicht lesen, er kann nicht schreiben, aber er weiß, wo man Marmelade verstecken muß.
    Ich bringe dem Abt seinen Tee und sein Brot und mache mir auch was. Ich ziehe meine feuchten Sachen an und gehe wieder ins Bett und hoffe, daß sie von meiner eigenen Hitze trocknen werden, bevor ich zur Arbeit gehe. Mam sagt immer, es sind die nassen Sachen, von denen man Schwindsucht und ein frühes Grab kriegt. Der Abt sitzt aufrecht im Bett und sagt, er hat schreckliche Kopfschmerzen von einem Traum, in dem ich das schwarze Kleid seiner Mutter anhatte und sie
herumflatterte und kreischte, Sünde, Sünde, das ist eine Sünde. Er trinkt seinen Tee aus und fällt in einen Schnarchschlaf, und ich warte, daß auf seiner Uhr halb acht steht, Zeit aufzustehen, damit ich um neun auf dem Postamt bin, auch wenn meine Sachen noch naß auf der Haut sind.
    Als ich weggehe, frage ich mich, warum Tante Aggie die Gasse heraufkommt. Sie kommt wahrscheinlich, um zu sehen, ob der Abt tot ist oder einen Arzt braucht. Sie sagt, um wieviel Uhr mußt du bei diesem Job sein?
    Neun.
    In Ordnung.
    Sie macht kehrt und geht mit mir zum Postamt in der Henry Street. Sie sagt kein Wort, und ich frage mich, ob sie mit zum Postamt geht, um da zu petzen, daß ich im Bett ihrer Großmutter geschlafen habe und ihr schwarzes Kleid anhatte. Sie sagt,

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