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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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kriegst du dein Trinkgeld, Gott segne dich und alle deine Angehörigen.
    Mrs. O’Connell und Miss Barry auf dem Postamt sagen uns jeden Tag, es ist unsere Aufgabe, Telegramme zuzustellen und Schluß. Sonst sollen wir nichts für die Menschen machen, nicht einkaufen gehen oder andere Botschaften als die im Telegramm ausrichten. Ihnen ist es egal, wenn Leute in ihrem Bett sterben. Ihnen ist es egal, ob jemand keine Beine hat, wahnsinnig ist oder auf dem Fußboden herumkraucht. Wir sollen das Telegramm zustellen, und damit hat sich’s. Mrs. O’Connell sagt, ich weiß alles, was ihr treibts, alles, denn die Menschen von Limerick haben ein Auge auf euch, und es gibt Berichte und Beschwerden,
und das verwahre ich alles im Schubfach, alles im Schubfach.
    Alles im Schlüpfer, alles im Schlüpfer, murmelt Toby Mackey unhörbar, da gehört es hin, da geht keiner dran.
     
     
    Aber Mrs. O’Connell und Miss Barry wissen nicht, wie es in der Gasse ist, wenn man an eine Tür klopft, und jemand sagt, herein, und man geht hinein, und es gibt kein Licht, und auf einem Bett in einer Ecke liegt ein Haufen Lumpen, und der sagt, wer ist da? und man sagt, Telegramm, und der Haufen Lumpen sagt einem, würdest du wohl für mich einkaufen gehen, ich sterbe Hungers, und ich würde meine zwei Augen für eine Tasse Tee geben, und was soll man dann machen, soll man sagen, ich hab keine Zeit, und sich aufs Rad schwingen und den Haufen Lumpen mit einer telegrafischen Geldanweisung dalassen, die ihm rein gar nichts nützt, weil der Haufen Lumpen zu schwach ist, aus dem Bett aufzustehen, um aufs Postamt zu gehen und sich seine gottverdammte Postanweisung auszahlen zu lassen.
    Was soll man da machen?
    Die sagen einem, man darf niemals aufs Postamt gehen, um eine dieser Postanweisungen einzulösen, oder man verliert seinen Job für alle Zeiten. Aber was soll man machen, wenn ein alter
Mann, der vor Hunderten von Jahren im Burenkrieg gekämpft hat, sagt, seine Beine sind ab, und er wäre ewig dankbar, wenn man zu Paddy Considine auf dem Postamt gehen und ihm die Lage erklären könnte, und Paddy zahlt bestimmt das Geld aus, und zwei Shilling sind für dich, großartiger Junge, der du bist. Paddy Considine sagt, kein Problem, aber sag das nicht weiter, sonst sitze ich mit dem Arsch auf der Straße und du ebenfalls, Sohnemann. Der alte Mann aus dem Burenkrieg sagt, er weiß, daß man Telegramme zustellen muß, aber würde man wohl heute abend noch mal wiederkommen und vielleicht für ihn zum Laden gehen, weil er nichts im Hause hat und obendrein noch erfriert. Er sitzt auf einem alten Sessel in der Ecke, hat Teile von Decken auf sich und einen Eimer hinter dem Sessel, der stark genug stinkt, daß einem schlecht wird, und wenn man diesen alten Mann in der dunklen Ecke ansieht, möchte man einen Schlauch mit heißem Wasser nehmen und ihn ausziehen und abseifen und ihm eine große Portion Speckstreifen und Eier und Kartoffelbrei mit Unmengen Butter und Salz und Zwiebeln geben.
    Ich möchte den Mann aus dem Burenkrieg und den Haufen Lumpen im Bett irgendwo aufladen und in ein großes sonniges Haus auf dem Lande schaffen, wo sich vor dem Fenster die Vögel einen abzwitschern, und wo das Bächlein rauscht.

    Mrs. Spillane, die in der Pump Lane wohnt, welche von der Carey’s Road abgeht, hat zwei verkrüppelte Zwillinge mit großen blonden Köpfen, kleinen Körpern und Beinstummeln, die über den Stuhlrand baumeln. Sie sehen den ganzen Tag ins Feuer und sagen, wo ist Daddy? Sie sprechen Englisch wie jeder, aber miteinander plappern sie in einer Sprache, die sie erfunden haben, Hung Abe Tee Tee Abe Hung. Mrs. Spillane sagt, das heißt, wann gibt es Abendessen? Sie sagt, sie hat ja noch Glück, wenn ihr Mann vier Pfund im Monat schickt, und sie ist außer sich, wie sie in der Armenapotheke beschimpft wird, weil er in England ist. Die Kinder sind erst drei, und sie sind sehr aufgeweckt, auch wenn sie nicht gehen oder selbst auf sich aufpassen können. Wenn sie gehen könnten, wenn sie ein bißchen normal wären, würde sie alles zusammenpacken und nach England ziehen, raus aus diesem gottverlassenen Land, das so lange um seine Freiheit gekämpft hat, und sieh dir jetzt unseren Zustand an, De Valera in seiner Villa da oben in Dublin, der miese alte Schweinehund, und die anderen Politiker, die sich alle zum Teufel scheren können, Gott verzeihe mir. Die Priester können sich ebenfalls zum Teufel scheren, und dafür, daß ich so was sage, bitte ich Gott nicht

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