Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
um Verzeihung. So sind sie, die Priester und die Nonnen, sagen uns, Jesus war arm, und das ist keine Schande, und Lastwagen
fahren mit Kisten und Fässern voll Whiskey und Wein bei ihren Häusern vor, und jede Menge Eier und Schinkenkeulen, und uns sagen sie, worauf wir zur Fastenzeit verzichten sollen. Fastenzeit am Arsch. Worauf sollen wir denn verzichten, wenn wir das ganze Jahr Fastenzeit haben?
Ich möchte Mrs. Spillane und ihre beiden blonden verkrüppelten Kinder schnappen und sie in das Haus auf dem Lande zu dem Haufen Lumpen und dem Mann aus dem Burenkrieg schaffen und sie alle waschen und in der Sonne sitzen lassen, wo die Vögel zwitschern und die Bäche rauschen.
Ich kann den Haufen Lumpen nicht mit einer nutzlosen Postanweisung allein lassen, weil der Haufen eine alte Frau ist, Mrs. Gertrude Daly, von jeder Sorte Krankheit verbogen, die man sich in einer Gasse in Limerick holen kann, Arthritis, Rheumatismus, Haarausfall, ein Nasenloch fast weg, weil sie immer mit dem Finger dagegen klopft, und man fragt sich, was für eine Welt das ist, wenn diese alte Frau sich in ihren Lumpen aufsetzt und einen mit Zähnen anlächelt, die im Dunkeln strahlen, ihren eigenen Zähnen, heil und ebenmäßig.
Stimmt, sagt sie, meine eigenen Zähne, und
wenn ich im Grab verfaule, werden sie in hundert Jahren meine Zähne finden, weiß und glänzend, und dann sprechen sie mich heilig.
Die telegrafische Geldanweisung, drei Pfund, ist von ihrem Sohn. Eine Nachricht ist auch dabei, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Mammy, Dein Dich liebender Sohn, Teddy. Ein Wunder, daß er sich das vom Munde abgespart hat, der kleine Scheißkerl, trabt mit jedem Flittchen von Piccadilly durch die Gegend. Sie fragt, ob ich ihr wohl einen großen Gefallen tun und ihre Postanweisung einlösen kann und ihr in der Kneipe eine kleine Probierflasche Powers-Whiskey hole sowie einen Laib Brot, ein Pfund Schweineschmalz, sieben Kartoffeln, eine für jeden Tag der Woche. Ob ich ihr wohl eine Kartoffel koche, mit einem Klumpen Schmalz zermansche, eine Scheibe Brot gebe, einen Tropfen Wasser für den Whiskey bringe. Ob ich wohl zu O’Connor in die Drogerie gehe und Salbe für ihre wundgescheuerten Stellen hole und, wo ich gerade dabei bin, etwas Seife mitbringe, damit sie sich den Leib mal ordentlich abschrubben kann, und sie wird dann auch ewig dankbar sein und ein Gebet für mich sprechen, und hier habe ich ein paar Shilling für den ganzen Umstand.
Ah, danke nein, Ma’am.
Nimm das Geld. Kleines Trinkgeld. Du hast mir doch so viele Gefälligkeiten erwiesen.
Das kann ich wirklich nicht annehmen, Ma’am, so schlecht, wie es Ihnen geht.
Nimm das Geld, oder ich sage beim Postamt Bescheid, daß du mein Telegramm nicht mehr zustellen darfst.
Oh. Ja. Na gut, Ma’am. Vielen Dank.
Gute Nacht, mein Junge. Sei nett zu deiner Mutter.
Gute Nacht, Mrs. Daly.
Im September fängt die Schule wieder an, und an manchen Tagen kommt Michael beim Abt vorbei, bevor er sich auf den Heimweg zu Laman Griffin macht. Wenn es regnet, sagt er, kann ich über Nacht hierbleiben? und bald will er gar nicht mehr zu Laman Griffin zurück. Zwei Meilen hin, zwei Meilen zurück, dazu ist er zu erschöpft und zu hungrig.
Als Mam ihn suchen kommt, weiß ich gar nicht, was ich zu ihr sagen soll. Ich weiß nicht, wie ich sie ansehen soll, und wende immer den Blick seitwärts ab. Sie sagt, wie ist die Arbeit? als wäre bei Laman Griffin nie etwas passiert, und ich sage, großartig, als wäre bei Laman Griffin nie etwas passiert. Wenn es so sehr regnet, daß sie nicht nach Hause kann, bleibt sie mit Alphie, der erst vier ist, oben in dem kleinen Zimmer. Am nächsten Tag geht sie zurück zu Laman, aber Michael bleibt, und bald zieht sie selbst nach und nach hier ein, bis sie gar nicht mehr zu Laman geht.
Der Abt zahlt jede Woche die Miete. Mam kriegt Fürsorge und Essensgutscheine, bis jemand petzt und ihr alles gestrichen wird. Man sagt ihr, wenn ihr Sohn ein Pfund pro Woche nach Hause bringt, dann ist das mehr, als manche Familien an Stempelgeld kriegen, und sie soll dankbar sein, daß er Arbeit hat. Jetzt muß ich meinen Lohn abliefern. Mam sagt, ein Pfund? Ist das alles, was du dafür kriegst, daß du bei jedem Wetter durch die Gegend radelst? In Amerika wären das vier Dollar. Vier Dollar. Und mit vier Dollar bekäme man in New York keine Katze satt. Als Telegrammbote bei Western Electric in New York würdest du fünfundzwanzig Dollar die Woche verdienen und im
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