Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
(vormals
MacNamara)
und nicht zuletzt Deine Nichte
Delia Fortune (ebenfalls vormals
MacNamara, hahaha)
Großmutter Sheehan schickte Philomena und Delia Geld. Sie kauften die Schiffskarten, fanden einen Überseekoffer in der Gesellschaft des Hl. Vincent de Paul, mieteten einen Kleinlaster, der uns nach Manhattan an die Pier brachte, setzten uns aufs Schiff, sagten gute Fahrt und guten Wind und kommt bloß nicht wieder her, und gingen weg.
Das Schiff legte ab und fuhr übers Wasser. Mam sagte, das da ist die Freiheitsstatue, und das da ist
Ellis Island, wo alle Immigranten reingekommen sind. Dann beugte sie sich seitlich vornüber und erbrach sich, und der Wind vom Atlantik wehte alles über uns und andere frohgestimmte Menschen, die die Aussicht genossen. Möwen schossen heran, um etwas von der Gabe abzubekommen, während Passagiere kreischend und gottlose Ausdrücke äußernd flohen und Mam schlaff und bleich an der Reling hing.
2
Nach einer Woche kamen wir in Moville in der Grafschaft Donegal an, wo wir einen Bus nach Belfast nahmen und von dort einen zweiten Bus noch Toome in der Grafschaft Antrim. Wir ließen den Überseekoffer in einem Laden und machten uns zu Fuß auf den zwei Meilen langen Weg über die Landstraße zum Haus von Großvater McCourt. Es war dunkel auf der Straße, die Morgendämmerung auf den Hügeln im Osten hatte noch kaum begonnen.
Dad trug die Zwillinge auf den Armen, und sie plärrten abwechselnd vor Hunger. Mam blieb alle paar Minuten stehen, um sich auf die Mauer aus Feldsteinen neben der Straße zu setzen und auszuruhen. Wir setzten uns zu ihr und beobachteten, wie der Himmel erst rot und dann blau wurde. Auf den Bäumen fingen Vögel an zu zwitschern und zu singen, und als dann die Morgendämmerung kam, sahen wir seltsame Geschöpfe auf den Feldern, die so dastanden und uns ansahen. Malachy sagte, was sindn das, Dad?
Kühe, mein Sohn.
Was sindn Kühe, Dad?
Kühe sind Kühe, mein Sohn.
Wir gingen weiter die immer heller werdende Straße entlang, und dann standen da andere Geschöpfe auf dem Feld, weiße, pelzige Geschöpfe.
Malachy sagte, was sindn das, Dad?
Schafe, mein Sohn.
Was sindn Schafe, Dad?
Mein Vater bellte ihn an, hört das denn nie auf mit deinen Fragen? Schafe sind Schafe, Kühe sind Kühe, und das da drüben ist eine Ziege. Eine Ziege ist eine Ziege. Die Ziege gibt Milch, das Schaf gibt Wolle, die Kuh gibt alles. Was willst du in Gottes Namen denn noch alles wissen?
Und Malachy jaulte vor Angst, weil Dad sonst nie so sprach, nie barsch zu uns war. Er mochte uns mitten in der Nacht aus dem Bett holen, und wir mußten versprechen, daß wir für Irland sterben, aber so gebellt hatte er noch nie. Malachy rannte zu Mam, und sie sagte, na na, wein doch nicht. Dad ist nur erschöpft, weil er die Zwillinge tragen muß, und es ist nicht leicht, all diese Fragen zu beantworten, wenn man Zwillinge durch die Welt schleppt.
Dad setzte die Zwillinge auf die Straße und machte: Wer kommt in meine Arme? für Malachy. Jetzt fingen die Zwillinge an zu weinen, und Malachy klammerte sich an Mam und schluchzte. Die Kühe muhten, die Schafe mähten, die Ziege ähähäte, die Vögel schlugen auf den Bäumen Krawall, und das Öööt-öööt eines Automobils übertönte
alles. Ein Mann rief uns aus dem Automobil zu, grundgütiger Herrgott, was macht ihr Leute denn zu dieser Stunde an einem Ostersonntagmorgen auf der Landstraße?
Dad sagte, guten Morgen, Vater Prior.
Vater? sagte ich. Dad, ist das dein Vater?
Mam sagte, stell ihm bloß keine Fragen.
Dad sagte, nein, nein, das ist ein Priester.
Malachy sagte, was istn ein …? aber Mam hielt ihm den Mund zu.
Der Priester hatte weißes Haar und einen weißen Kragen. Er sagte, wohin wollt ihr denn?
Dad sagte, immer geradeaus zu den McCourts aus Moneyglass, und der Priester lud uns in sein Automobil ein. Er sagte, er kennt die McCourts, eine angesehene Familie, gute Katholiken, einige kommen täglich zur Kommunion, und er hofft, er sieht uns alle in der Messe, besonders die kleinen Yankees, die nicht wissen, was ein Priester ist, der Herr steh uns bei.
Vor dem Haus greift meine Mutter nach dem Riegel am Tor. Dad sagt, nein, nein, so nicht. Nicht durch das vordere Tor. Durch das vordere Tor geht nur der Priester, wenn er zu Besuch kommt – oder der Sarg.
Wir gehen um das Haus herum zur Küchentür. Dad drückt die Tür auf, und da sitzt Großvater McCourt und trinkt Tee aus einer großen Tasse, und Großmutter McCourt brät
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