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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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irgendwas.

    Och, sagt Großvater, da seid ihr ja.
    Dad gibt es zu. Er zeigt auf meine Mutter. Das ist Angela, sagt er. Großvater sagt, och, du mußt erschöpft sein, Angela … Großmutter sagt nichts; sie dreht sich wieder zu ihrer Bratpfanne um. Großvater führt uns durch die Küche in ein großes Zimmer mit einem langen Tisch und Stühlen. Setzt euch, es gibt Tee. Wollt ihr Boxty?
    Malachy sagt, was istn Boxty?
    Dad lacht. Pfannkuchen, mein Sohn. Pfannkuchen aus Kartoffeln.
    Großvater sagt, wir haben Eier. Es ist Ostersonntag, und ihr könnt so viele Eier haben, wie ihr bei euch behalten könnt.
    Wir trinken Tee und essen Boxty und hartgekochte Eier, und dann schlafen wir alle ein. Ich wache in einem Bett mit Malachy und den Zwillingen auf. Meine Eltern liegen in einem anderen Bett am Fenster. Wo bin ich? Es wird dunkel. Wir sind nicht auf dem Schiff. Mam schnarcht hink, Dad schnarcht honk. Ich stehe auf und pikse Dad mit dem Zeigefinger. Ich muß mal klein. Er sagt, nimm das Nachtgeschirr.
    Was?
    Unterm Bett, mein Sohn. Das Nachtgeschirr. Da sind Rosen drauf und Mägdelein, die in der Schlucht herumtollen. Da kannst du reinpinkeln, mein Sohn.
    Ich will ihn fragen, wovon er überhaupt
spricht, denn selbst wenn ich platze, kommt es mir komisch vor, in einen Topf mit Rosen und herumtollenden Mägdelein zu pinkeln, egal was Mägdelein sind. In der Classon Avenue hatten wir so was nicht. Da sang Mrs. Leibowitz auf dem Klo, während wir auf dem Gang standen und uns alles verkniffen.
    Jetzt muß Malachy das Nachtgeschirr benutzen, aber er will sich draufsetzen. Dad sagt, nein, das darfst du nicht, mein Sohn. Du mußt vor die Tür gehen. Als er das sagt, muß ich auch – mich hinsetzen. Er führt uns die Treppe hinunter und durch das große Zimmer, in dem Großvater vor dem Kamin sitzt und liest und Großmutter auf ihrem Sessel sitzt und döst. Draußen ist es dunkel, aber der Mond ist so hell, daß wir sehen können, wohin wir gehen. Dad öffnet die Tür eines kleinen Hauses, in dem ein Sitz mit einem Loch drin ist. Er zeigt Malachy und mir, wie man auf dem Loch sitzt und sich mit Zeitungspapier abputzt, welches auf einen Nagel gesteckt ist. Dann sagt er, wir sollen warten, und geht hinein, macht die Tür zu und grunzt. Der Mond scheint so hell, daß ich das Feld überblicken kann, auf dem die Dinger namens Kühe und Schafe stehen, und ich frage mich, warum die nicht nach Hause gehen.
    Im Haus sind noch andere Leute in dem Zimmer bei meinen Großeltern. Dad sagt, das sind deine Tanten: Emily, Nora, Maggie, Vera. Deine
Tante Eva hat selbst Kinder und wohnt in Ballymena. Meine Tanten sind nicht wie Mrs. Leibowitz und Minnie McAdorey; sie nicken uns zu, aber sie umarmen uns nicht und lächeln nicht. Mam kommt mit den Zwillingen ins Zimmer, und als Dad seinen Schwestern sagt, das ist Angela, und das sind die Zwillinge, nicken sie wieder nur.
    Großmutter geht in die Küche, und bald gibt es Brot und Würste und Tee. Der einzige, der bei Tische spricht, ist Malachy. Er zeigt mit dem Löffel auf die Tanten und fragt noch einmal, wie sie heißen. Als Mam ihm sagt, er soll seine Wurst essen und still sein, kriegt er Tränen in die Augen, und Tante Nora streichelt ihn und sagt, na na, und ich frage mich, warum jeder na na sagt, wenn Malachy weint. Ich frage mich, was na na bedeutet. Am Tisch ist alles still, bis Dad sagt, in Amerika ist es schlimm. Großmutter sagt, och, aye, das hab ich in der Zeitung gelesen. Aber sie sagen doch, Mr. Roosevelt ist ein guter Mann, und wenn du dageblieben wärst, hättest du inzwischen auch Arbeit gefunden.
    Dad schüttelt den Kopf, und Großmutter sagt, ich weiß nicht, was du machen sollst, Malachy. Hier ist es schlimmer als in Amerika. Hier gibt es keine Arbeit, und Gott weiß es, wir haben hier keinen Platz für sechs Leute mehr.
    Dad sagt, ich dachte, ich könnte auf einem
Bauernhof Arbeit finden. Dann könnten wir uns ein Häuschen zulegen.
    Und wo wollt ihr bis dahin unterkommen? sagt Großmutter. Und wie willst du dich und deine Familie ernähren?
    Och, ich könnte doch wohl vermutlich stempeln gehen.
    Du kannst nicht frisch vom Schiff aus Amerika kommen und gleich stempeln gehen, sagt Großvater. Da muß man erst mal warten, und was machst du, während du wartest?
    Dad sagt nichts, und Mam sieht die Wand an.
    Im Freistaat würdest du dich besser stellen, sagt Großmutter. Dublin ist groß, und da oder auf den Bauernhöfen ringsum findest du bestimmt Arbeit.
    Von der IRA steht dir

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