Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
Vom Netzwerk:
hinstellen
und versprechen, daß wir für Irland sterben. Eines Nachts wollte er die Zwillinge dazu bringen, daß sie versprechen, für Irland zu sterben, aber sie können noch gar nicht sprechen, und Mam hat ihn angeschrien, du wahnsinniger alter Bastard, kannst du nicht die Kinder zufrieden lassen?
    Er will uns fünf Cent für ein Eis geben, wenn wir versprechen, daß wir für Irland sterben, und wir versprechen es, aber die fünf Cent kriegen wir nie.
     
     
    Wir kriegen Suppe von Mrs. Leibowitz und Kartoffelbrei von Minnie McAdorey, und sie zeigen uns, wie man die Zwillinge versorgt, wie man ihnen den Po wäscht und wie man die Lumpenwindeln wäscht, wenn sie sie vollgeschissen haben. Mrs. Leibowitz nennt sie Windeln, und Minnie nennt sie Binden, aber das ist egal, denn vollscheißen tun die Zwillinge sie sowieso. Wenn Mam im Bett bleibt und Dad Arbeit suchen geht, können wir den ganzen Tag lang tun, was wir wollen. Wir können die Zwillinge auf die kleinen Schaukeln im Park setzen und sie schaukeln, bis sie Hunger haben und weinen.
    Der italienische Mann ruft mir von der anderen Straßenseite zu, he, Frankie, komm her. Paß auf, wenn du über die Straße gehst. Haben die
Zwillinge wieder Hunger? Er gibt uns ein paar Stücke Käse und Schinken und ein paar Bananen, aber ich kann keine Bananen mehr sehen, nachdem der Vogel Cuchulain so mit Blut angespuckt hat.
    Der Mann sagt, er heißt Mr. Dimino, und das hinter dem Ladentisch ist seine Frau Angela. Ich sage ihm, so heißt meine Mutter. Tatsache, Kleiner? Deine Mutter heißt Angela? Wußte gar nicht, daß die Iren Angelas haben. He, Angela, seine Mutter heißt Angela. Sie lächelt. Sie sagt, dasse iste ja nette.
    Mr. Dimino fragt mich nach Mam und Dad und wer für uns kocht. Ich sage ihm, wir kriegen von Mrs. Leibowitz und Minnie McAdorey was zu essen. Ich erzähle ihm alles über die Windeln und die Binden und wie sie trotzdem vollgeschissen werden, und er lacht. Angela, hörst du das? Danke Gott, daß du Italienerin bist, Angela. Er sagt, Kleiner, ich muß mal mit Mrs. Leibowitz reden. Ihr müßt doch Verwandte haben, die sich um euch kümmern können. Wenn du Minnie McAdorey siehst, sag ihr, sie soll mal herkommen und mit mir reden. Ihr verwildert ja.
     
     
    Zwei große Frauen sind an der Tür. Sie sagen, wer bist du denn?
    Ich bin Frank.

    Frank! Wie alt bist du?
    Ich bin vier, werd aber fünf.
    Da bist du aber nicht groß für dein Alter, stimmt’s?
    Weiß ich nicht.
    Ist deine Mutter da?
    Die ist im Bett.
    Was macht sie an so einem schönen Tag und am hellichten Tag im Bett?
    Sie schläft.
    Also, wir kommen erst mal rein. Wir müssen mit deiner Mutter reden.
    Sie rauschen an mir vorbei ins Zimmer. Jesus, Maria und Joseph, wie das hier riecht. Und wer sind diese Kinder.
    Malachy läuft zu den großen Frauen hin und lächelt. Wenn er lächelt, kann man sehen, wie weiß und gerade und hübsch seine Zähne sind, und man kann das glänzende Blau seiner Augen sehen, das Rosa seiner Wangen.
    Die großen Frauen sehen sich das alles an und lächeln, und ich frage mich, warum sie nicht gelächelt haben, als sie mit mir sprachen.
    Malachy sagt, ich bin Malachy, und das ist Oliver, und das ist Eugene, die beiden sind Zwillinge, und das da hinten ist Frankie.
    Die große Frau mit den braunen Haaren sagt, du bist ja wohl kein bißchen schüchtern, stimmt’s? Ich bin die Cousine deiner Mutter, Philomena,
und das ist die Cousine deiner Mutter, Delia. Ich bin Mrs. Flynn, und das ist Mrs. Fortune, und so nennst du uns auch. Wo ist deine Mutter?
    Sie ist drin, im Bett.
    Guter Gott, sagt Philomena. Diese Zwillinge sind nackt. Habt ihr denn keine Anziehsachen für die?
    Malachy sagt, alles vollgeschissen.
    Delia bellt. Na bitte. So was kommt dann dabei raus. Ein Mundwerk wie eine Kloake; auch kein Wunder bei einem Vater aus dem Norden. Das Wort sagt man nicht. Das ist ein schlimmes Wort, ein gottloser Ausdruck. Dafür kannst du in die Hölle kommen, wenn du so ein Wort gebrauchst.
    Was ist die Hölle? fragt Malachy.
    Das erfährst du früh genug, sagt Delia.
    Die großen Frauen sitzen mit Mrs. Leibowitz und Minnie McAdorey am Tisch. Philomena sagt, es ist schrecklich, was mit Angelas kleinem Baby passiert ist. Sie haben alles darüber gehört, und da fragt man sich doch, oder etwa nicht, was sie mit der kleinen Leiche angestellt haben. Da fragt man sich doch, und da frage ich mich doch auch, aber Tommy Flynn hat sich nicht gefragt, Tommy Flynn hat es gleich gewußt. Tommy

Weitere Kostenlose Bücher