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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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vergessen. Da kann ich auch nichts machen … Was ist das denn? Wer raucht denn da?
    Nora winkt mit ihrer Zigarette. Ich, sagt sie, und ich genieße es bis zur allerletzten Asche.
    Er sagt, jeder Zug aus einer Kippe …
    Ich weiß, sagt sie. Bedeutet, daß ich Nahrung aus dem Munde meiner Kinder stehle.
    Sie sind unverschämt, Frau. Sie werden hier keine Unterstützung erfahren.
    Tatsache? Na, Mr. Quinlivan, wenn ich hier keine kriege, weiß ich, wo ich welche kriege.
    Wovon sprechen Sie überhaupt?
    Ich gehe zu den Quäkern. Die werden mir zeigen, wie barmherzig sie sind.
    Mr. Quinlivan tritt auf Nora zu und zeigt mit dem Finger auf sie. Wißt ihr, was wir hier haben? Wir haben eine Suppenseele in unserer Mitte. Die Suppenseelen hatten wir schon während der Großen Kartoffelhungersnot. Die Protestanten sind herumgegangen und haben guten Katholiken erzählt, wenn sie ihren Glauben aufgeben und Protestanten werden, bekommen sie mehr Suppe als in ihre Mägen paßt, und, Gott helfe uns, einige wenige Katholiken nahmen die Suppe an, verloren ihre unsterbliche Seele und sind seitdem und immerdar als Suppenseelen bekannt. Und Sie,
wenn Sie zu den Quäkern gehen, werden Sie Ihre unsterbliche Seele verlieren und die Seelen Ihrer Kinder gleich noch obendrein.
    Dann, Mr. Quinlivan, werden Sie uns retten müssen, stimmt’s?
    Er starrt sie an, und sie starrt zurück. Sein Blick wandert zu den anderen Frauen. Eine legt sich die Hand vor den Mund, um ein Lachen zu unterdrücken.
    Was gibt’s denn da zu kichern? bellt er.
    Äh, gar nichts, Mr. Quinlivan. Nichts, bei Gott.
    Ich sag’s euch noch einmal: keine Schuhe. Und er knallt die Tür hinter sich zu. Eine nach der anderen werden die Frauen in die Stube gerufen. Als Nora herauskommt, lächelt sie und wedelt mit einem Zettel. Schuhe, sagt sie. Drei Paar krieg ich für meine Kinder. Man muß den Männern da drin nur mit den Quäkern drohen, schon zerren sie sich die Unterhose vom Arsch und geben sie einem.
    Als Mam aufgerufen wird, nimmt sie Malachy und mich mit hinein. Wir stehen vor einem Tisch, an dem drei Männer sitzen und Fragen stellen. Mr. Quinlivan will etwas sagen, aber der Mann in der Mitte sagt, Sie hatten bereits das Wort, Mr. Quinlivan. Wenn wir Sie ganz allein reden ließen, würden wir die armen Leute von Limerick in Scharen den Protestanten in die Arme treiben.

    Er wendet sich Mam zu; er will wissen, woher sie diesen feinen Mantel hat. Sie wiederholt, was sie den Frauen draußen erzählt hat, und als sie an die Stelle mit Margarets Tod kommt, schüttelt es sie, und sie fängt an zu schluchzen. Sie sagt den Männern, es tut ihr sehr leid, daß sie so weint, aber es ist erst ein paar Monate her, und sie ist noch nicht drüber weg, wo sie doch nicht mal weiß, wo ihr Baby beerdigt ist, falls es überhaupt beerdigt ist, und sie nicht mal weiß, ob es überhaupt getauft ist, weil sie von den vier Buben her so schwach war, daß sie nicht die Energie hatte, wegen der Taufe in die Kirche zu gehen, und es verbrüht einem das Herz, wenn man daran denkt, daß Margaret vielleicht die Ewigkeit in der Vorhölle verbringen muß, ohne jede Hoffnung, uns je wiederzusehen, sei dies nun im Himmel oder, Gott helfe uns, in der Hölle als solcher.
    Mr. Quinlivan bringt ihr seinen Stuhl. Na na na, Missis. Na na na. Setzen Sie sich doch. Na na na.
    Die anderen Männer sehen den Tisch an, sehen die Zimmerdecke an. Der Mann in der Mitte sagt, er gibt Mam eine Bescheinigung, damit kann sie im Laden von McCrath in der Parnell Street für eine Woche Lebensmittel beziehen, dafür gibt es Tee, Zucker, Mehl, Butter, sowie eine separate Bescheinigung für einen Sack Kohlen von Sutton’s Kohlenhandlung in der Dock Road.

    Der dritte Mann sagt, das bekommen Sie natürlich nicht jede Woche, Missis. Wir werden Sie zu Hause besuchen, um zu sehen, ob echte Bedürftigkeit vorliegt. Das müssen wir, Missis, um Ihren Antrag befürworten zu können.
    Mam wischt sich das Gesicht am Ärmel ab und nimmt die Bescheinigung. Sie sagt zu den Männern, Gott segne Sie für Ihre Freundlichkeit. Sie nicken und sehen auf den Tisch und an die Dekke und sagen ihr, sie soll die nächste Frau reinschicken.
    Die Frauen draußen sagen Mam, wenn Sie zu McCrath gehen, behalten Sie die alte Schlampe im Auge, die betrügt nämlich beim Wiegen. Sie tut Zeug auf ein Stück Papier, das auf der Waage liegt, und auf ihrer Seite vom Ladentisch, wo sie glaubt, daß man es nicht sehen kann, hängt das Papier herunter. Dann zieht

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