Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
doch nichts über die in Milch gekochte Zwiebel. Und sieh mal, kleiner Junge, hier hast du ein Bonbon für dich und hier noch eins für den anderen kleinen Jungen, den Bruder, nehme ich mal an.
Mam sagt, aber aber, das sollen Sie doch nicht. Sagt schön danke.
Die Frau sagt, hier ist eine schöne Zwiebel für das kranke Kind, Missis.
Mam sagt, ach, ich kann die Zwiebel aber jetzt
nicht kaufen. Ich habe keinen einzigen Penny dabei.
Ich schenke Ihnen die Zwiebel, Missis. Soll nie einer sagen, in Limerick ist ein Kind krank geblieben, weil keine Zwiebel da war. Und vergessen Sie nicht, ein bißchen Pfeffer reinzustreuen. Pfeffer haben Sie doch, Missis?
Ach, nein, aber den kann ich mir schon besorgen.
Bitte, hier, Missis. Pfeffer und ein bißchen Salz. Tun Sie dem Kind was Gutes.
Mam sagt, Gott segne Sie, und ihre Augen sind wäßrig.
Dad geht mit Oliver auf den Armen auf und ab. Eugene sitzt auf dem Buden und spielt mit einem Topf und einem Löffel. Dad sagt, habt ihr die Zwiebel gekriegt?
Ich hab eine besorgt, sagt Mam, und noch mehr. Ich hab auch noch Kohle und Zeug zum Anmachen besorgt.
Ich hab’s gewußt. Ich habe zum heiligen Judas gebetet. Er ist mein Lieblingsheiliger, Schutzpatron für verzweifelte Fälle.
Ich hab die Kohle besorgt. Ich hab die Zwiebel besorgt. Ohne Hilfe vom heiligen Judas.
Dad sagt, du solltest keine Kohle von der Straße aufsammeln wie ein ganz gewöhnlicher Bettler. Das ist nicht richtig. Ein schlechtes Beispiel für die Jungs.
Dann hättest du den heiligen Judas in die Dock Road schicken sollen.
Malachy sagt, ich hab Hunger, und ich sage, ich hab auch Hunger, aber Mam sagt, wartets, bis Oliver seine in Milch gekochte Zwiebel intus hat.
Sie bringt das Feuer in Gang, halbiert die Zwiebel, wirft sie in die kochende Milch, tut ein bißchen Butter dazu und streut Pfeffer in die Milch. Sie setzt sich Oliver auf den Schoß und versucht, ihn zu füttern, aber er wendet sich ab und sieht ins Feuer.
Nun komm schon, mein Schatz, sagt sie. Tut dir gut. Macht dich groß und stark.
Er preßt die Lippen zusammen, wenn Mam mit dem Löffel kommt. Sie stellt den Topf ab, wiegt Oliver, bis er einschläft, legt ihn aufs Bett und sagt uns, wir sollen still sein, oder sie demoliert uns. Sie schneidet die andere Hälfte der Zwiebel in Scheiben und brät sie mit Brot in Butter. Sie sagt, wir sollen uns im Halbkreis auf den Boden vor das Feuer setzen, und wir essen das gebratene Brot und trinken den siedend heißen süßen Tee in kleinen Schlucken aus den Marmeladengläsern. Sie sagt, das Feuer ist schön hell, da können wir die Gaslampe abstellen, bis wir Geld für den Zähler haben.
Das Feuer macht das Zimmer warm, und so wie die Flammen in der Kohle tanzen, kann man Gesichter sehen und Berge und Täler und springende
Tiere. Eugene schläft auf dem Fußboden ein, und Dad hebt ihn auf und legt ihn neben Oliver ins Bett. Mam stellt den Topf mit der gekochten Zwiebel auf den Sims über der Feuerstelle, damit keine Maus oder Ratte drangeht. Sie sagt, der Tag hat sie müde gemacht: die Gesellschaft vom Hl. Vincent de Paul, der Laden von Mrs. McGrath, die Kohlensuche in der Dock Road, die Sorge um Oliver, der die gekochte Zwiebel nicht wollte, und wenn er morgen wieder so ist, bringt sie ihn zum Doktor, und jetzt geht sie ins Bett.
Bald liegen wir alle im Bett, und wenn auch noch der eine oder andere Floh dasein sollte, dann ist mir das egal, denn zu sechst ist es warm im Bett, und ich liebe es, wie das Feuer auf Wänden und Zimmerdecke tanzt und alles rot und schwarz macht, rot und schwarz, bis es nur noch weiß und schwarz ist, und alles, was man hören kann, ist ein leiser Schrei von Oliver, wenn er sich in den Armen meiner Mutter umdreht.
Am Morgen zündet Dad das Feuer an, macht Tee, schneidet Brot. Er ist schon angezogen und sagt zu Mam, beeil dich, zieh dich an. Er sagt zu mir, Francis, dein kleiner Bruder ist krank, und wir bringen ihn ins Krankenhaus. Du mußt ein artiger Junge sein und dich um deine beiden Brüder kümmern. Wir sind bald wieder da.
Mam sagt, wenn wir nicht da sind, nimm nicht zuviel Zucker. Wir sind keine Millionäre.
Als Mam Oliver aus dem Bett nimmt und in einen Mantel wickelt, stellt Eugene sich im Bett aufrecht hin. Ich will Ollie, sagt er. Ollie spielen.
Ollie ist ja bald wieder da, sagt sie, und dann kannst du mit ihm spielen. Jetzt kanst du mit Malachy und Frank spielen.
Ollie, Ollie, ich will Ollie.
Als sie gehen, folgt er Oliver mit den Augen, und
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