Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
und sehen, ob es in dieser Nacht noch Schlaf für uns gibt.
Mam saß vor der Feuerstelle, die Zwillinge schliefen auf ihrem Schoß, und Malachy hatte
sich zu ihren Füßen auf dem Boden zusammengerollt. Sie sagte, mit wem habt ihr da gesprochen? Es hat sich sehr nach Pa Keating angehört, Aggies Mann. Das hab ich an dem Husten gemerkt. Den Husten hat er sich in Frankreich geholt, im Krieg, als er das Gas geschluckt hat.
Den Rest der Nacht verbrachten wir schlafend, und am Morgen sahen wir, wo sich die Flöhe gütlich getan hatten: Rosa war unser Fleisch von Flohstriemen und rot von Blut, wo wir uns gekratzt hatten.
Mam machte Tee und gebratenes Brot, und Dad betupfte noch mal unsere Bisse mit dem salzigen Wasser. Dann schleppte er die Matratze wieder nach draußen, auf den Hinterhof. An so einem kalten Tag erfrieren die Flöhe ganz bestimmt, und wir können heute nacht in Frieden durchschlafen.
Ein paar Tage später, als wir es uns gerade im Zimmer gemütlich gemacht haben, schüttelt Dad mich aus meinen Träumen. Auf, Francis, auf. Zieh dich an und lauf zu deiner Tante Aggie. Deine Mutter braucht sie. Lauf.
Mam stöhnt im Bett, ihr Gesicht ist reines Weiß. Dad holt Malachy und die Zwillinge aus dem Bett und setzt sie auf den Fußboden vor das tote Feuer. Ich laufe über die Straße und klopfe
an Tante Aggies Tür. Sie wohnt jetzt wieder bei Onkel Pa Keating, das war tatsächlich der mit der Kur gegen Flöhe. Er hat ihr gesagt, sie ist doch keine fette Kuh, und sie ist von Oma aus- und in ihr Haus in unserer Straße eingezogen. Onkel Pa Keating kommt und hustet und grummelt, was ist denn los? Was ist denn los?
Meine Mutter liegt im Bett und stöhnt, Onkel Pa, und ich glaube, ihr ist schlecht.
Jetzt kommt Tante Aggie und grummelt, seit ihr aus Amerika gekommen seids, machts ihr nichts als Ärger.
Laß ihn zufrieden, Aggie, er ist doch nur ein Kind, das tut, was man ihm gesagt hat.
Sie sagt Onkel Pa, er soll wieder ins Bett gehen, er muß morgen früh zur Arbeit, im Gegensatz zu gewissen Leuten aus dem Norden, die sie lieber nicht erwähnen möchte. Er sagt, nein, ich komm mit, da stimmt was nicht mit Angela.
Dad sagt mir, ich soll mich zu meinen Brüdern setzen. Ich weiß nicht, was mit Mam los ist, weil alle flüstern, und ich kann kaum hören, wie Tante Aggie zu Onkel Pa sagt, das Kind hat sie verloren, lauf, hol einen Krankenwagen, und schon ist Onkel Pa zur Tür hinaus, und Tante Aggie sagt zu Mam, über Limerick kannst du sagen, was du willst, aber die Krankenwagen kommen immer schnell. Mit meinem Vater spricht sie nicht, sieht ihn nicht mal an.
Malachy sagt, Dad, ist Mammy krank?
Och, das wird schon wieder werden, mein Sohn. Sie muß zum Arzt.
Ich frage mich, welches Kind sie verloren hat, denn wir sind alle da, eins zwei drei vier, nirgends eine Spur von einem verlorenen Kind, und warum können sie mir nicht sagen, was mit meiner Mutter nicht stimmt. Onkel Pa kommt zurück, und draußen wartet der Krankenwagen. Ein Mann kommt mit einer Tragbahre herein, und nachdem sie Mam weggetragen haben, sind Blutflecken auf dem Fußboden beim Bett. Malachy hat sich auf die Zunge gebissen, und es hat geblutet, und der Hund auf der Straße hat geblutet, und sie haben uns meine Schwester Margaret weggenommen, und ich frage mich, ob Mam nun auch für alle Zeiten weg ist, aber Tante Aggie zu fragen hat keinen Sinn, ich habe Angst, sie beißt mir nur den Kopf ab.
Sie wischt die Blutflecken auf und sagt uns, marsch, zurück ins Bett und bleibts drin, bis Dad nach Hause kommt.
Es ist mitten in der Nacht, und wir vier haben es warm im Bett, und wir schlafen ein, bis Dad wieder da ist und uns sagt, Mam geht es gut, und im Krankenhaus ist es schön, und ganz bald ist sie wieder da.
Dad geht zum Arbeitsamt, um Stempelgeld zu beantragen. Für einen Hilfsarbeiter mit einem Akzent aus dem Norden von Irland gibt es in Limerick keine Hoffnung auf Arbeit. Als er zurückkommt, sagt er Mam, wir werden neunzehn Shilling die Woche kriegen. Sie sagt, das reicht gerade, daß wir alle davon verhungern können. Neunzehn Shilling für uns sechs? Das ist weniger als vier Dollar in amerikanischem Geld, und wie sollen wir davon leben? Was sollen wir tun, wenn wir in vierzehn Tagen Miete zahlen müssen? Wenn die Miete für das Zimmer fünf Shilling die Woche beträgt, haben wir vierzehn Shilling für Essen und Kleidung und Kohle, um das Wasser für den Tee zu kochen. Dad schüttelt den Kopf, trinkt in kleinen Schlucken
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