Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
der Limerick-Zementfabrik ist was frei geworden, und selbst wenn es nur ein Aushilfsjob ist, was halten die von einem, wenn man ohne Schlips und Kragen erscheint?
Bosse und Vorarbeiter bekunden ihm immer
ihren Respekt und sagen, sie stellen ihn gern ein, aber sobald er den Mund aufmacht und sie den Akzent aus dem Norden von Irland hören, nehmen sie statt dessen einen Mann aus Limerick. Das erzählt er Mam am Kamin, und wenn sie sagt, warum ziehst du dich nicht an wie ein anständiger Arbeiter? sagt er, er wird keinen Zollbreit nachgeben, nie sollen sie es erfahren, und wenn sie sagt, warum kannst du nicht versuchen zu reden wie einer aus Limerick? sagt er, so tief wird er nie sinken, und der größte Kummer in seinem Leben ist, daß jetzt der Akzent von Limerick seine Söhne heimgesucht hat. Sie sagt, das tut mir aber leid, daß du so schlimmen Kummer hast, hoffentlich wird er nicht noch schlimmer, und er sagt, eines Tages, mit Gottes Hilfe, werden wir Limerick verlassen und weit weg sein vom todbringenden Shannon.
Ich frage Dad, was heißt heimgesucht, und er sagt, Heimsuchung, das ist eine schwere Krankheit, mein Sohn, und Sachen, die nicht zueinander passen.
Wenn er keine Arbeit sucht, unternimmt Dad lange Gänge, meilenweit aufs Land hinaus. Er fragt Bauern, ob sie vielleicht Hilfe brauchen, sagt, daß er auf dem Bauernhof aufgewachsen ist und alles kann. Wenn sie ihn nehmen, macht er sich sofort an die Arbeit, mit Schlips und Kragen. Er arbeitet so schwer und so lange, daß die Bauern
ihm sagen müssen, er soll aufhören. Sie fragen sich, wie ein Mann an einem langen, heißen Tag durcharbeiten kann, ohne einen Gedanken an Essen oder Trinken zu verschwenden. Dad lächelt. Das Geld, das er bei den Bauern verdient, bringt er nie nach Hause. Das Geld scheint etwas anderes zu sein als das Stempelgeld, welches er zu Hause abliefern soll. Das Bauerngeld trägt er in die Kneipe und vertrinkt es. Wenn er beim Angelusläuten um sechs Uhr nicht zu Hause ist, weiß Mam, daß er einen Tag Arbeit hatte. Sie hofft, er denkt vielleicht mal an seine Familie und geht wenigstens einmal an der Kneipe vorbei, aber so weit kommt es nie. Sie hofft, er bringt vielleicht mal was vom Bauern mit nach Hause, Kartoffeln, Kohl, Steckrüben, Mohrrüben, aber er wird nie etwas mit nach Hause bringen, denn so tief wird er nie sinken, daß er einen Bauern um etwas bittet. Mam sagt, für sie ist es ja ganz normal, daß sie bei der Gesellschaft vom Hl. Vincent de Paul um eine Bescheinigung für Essen bettelt, aber er kann sich keine paar lumpigen Kartoffeln in die Tasche stecken. Er sagt, bei einem Mann ist das anders. Man muß die Würde bewahren, Schlips und Kragen tragen, aufs Äußere achten und nie um etwas bitten. Mam sagt, na, dann weiterhin viel Erfolg.
Wenn das Bauerngeld weg ist, kommt er nach Hause gewankt und besingt und beweint Irland
und seine toten Kinder, aber häufiger Irland. Wenn er Roddy McCorley singt, heißt das, daß er sich nur ein bis zwei Pints leisten konnte. Wenn er Kevin Barry singt, heißt das, daß er einen guten Tag hatte, daß er bis zum Umfallen betrunken ist, bereit, uns aus dem Bett zu holen, antreten zu lassen und uns das Versprechen abzunehmen, daß wir für Irland sterben werden, es sei denn, Mam sagt ihm, er soll uns in Frieden lassen, oder sie schlägt ihm mit dem Schüreisen den Schädel ein.
Das würdest du doch nicht tun, Angela.
Das und noch viel mehr. Hör bloß mit dem Blödsinn auf und geh ins Bett.
Bett, Bett, Bett. Was bringt das denn, wenn ich ins Bett gehe? Wenn ich ins Bett gehe, muß ich doch nur wieder aufstehen, und ich kann nicht schlafen, wo es einen Fluß gibt, der uns mit Dunst und Nebel sein Gift herüberschickt.
Er geht ins Bett, singt ein trauriges Lied und hämmert dazu gegen die Wand und schläft ein. Wenn der Morgen dämmert, ist er wieder auf den Beinen, denn niemand, sagt er, sollte bei Tageslicht schlafen. Er weckt Malachy und mich, und wir sind müde, weil er uns die Nacht zuvor mit Reden und Singen wach gehalten hat. Wir beschweren uns und sagen, uns ist schlecht, wir sind müde, aber er zieht die Mäntel weg, mit denen wir zugedeckt sind, und wir müssen auf den
Fußboden treten. Es ist Dezember, und es friert, und wir können unseren Atem sehen. Wir pinkeln in den Eimer bei der Schlafzimmertür und rennen die Treppe hinunter, zur Wärme des Feuers, das Dad bereits gemacht hat. Wir waschen uns Gesicht und Hände in einem Becken unter dem Wasserhahn neben der Tür. Das
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