Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
Häuser wurden zur Zeit von Königin Victoria persönlich erbaut, und falls dieses Klo seitdem jemals saubergemacht worden
sein sollte, so muß dies im Schutze der Nacht geschehen sein, als es niemand bemerkte.
Und er schlurft die Gasse hinauf und kriegt sich kaum ein vor Lachen.
Mam kommt zu ihrem Stuhl und ihrem Tee zurück. Hier können wir nicht bleiben, sagt sie. Dieses Klo wird uns alle mit Krankheiten umbringen.
Dad sagt, wir können nicht schon wieder umziehen. Wo kriegen wir denn ein Haus für sechs Shilling die Woche? Wir werden das Klo selbst sauberhalten. Wir werden eimerweise kochendes Wasser hineinschütten.
Ach ja? sagt Mam. Und woher kriegen wir Kohle oder Torf oder Briketts, um das Wasser zu kochen?
Dad sagt nichts. Er trinkt seinen Tee aus und sucht einen Nagel, um unser einziges Bild aufzuhängen. Der Mann auf dem Bild hat ein dünnes Gesicht. Er trägt ein gelbes Käppchen und ein schwarzes Gewand mit einem Kreuz auf der Brust. Dad sagt, er war Papst, Leo der Dreizehnte, ein großer Freund des Arbeiters. Er hat das Bild die ganze Strecke von Amerika mitgebracht, wo er es gefunden hatte; jemand, dem das Los des Arbeiters nicht am Herzen lag, hatte es weggeschmissen. Mam sagt, er redet ziemlichen Quatsch, und er sagt, sie soll in Anwesenheit der Kinder nicht Quatsch sagen. Dad findet einen
Nagel, fragt sich aber, wie er den Nagel ohne Hammer in die Wand kriegen soll. Mam sagt, er kann sich einen von den Leuten nebenan borgen, aber er sagt, man läuft nicht in der Gegend rum und borgt sich Sachen von Leuten, die man nicht kennt. Er stellt das Bild an die Wand und schlägt den Nagel mit dem Boden eines Marmeladenglases ein. Das Marmeladenglas zerbricht und schneidet ihm die Hand auf, und ein Klecks Blut fällt dem Papst auf den Kopf. Er wickelt seine Hand ins Geschirrtuch und sagt zu Mam, schnell, schnell, wisch das Blut ab, bevor es trocknet. Sie versucht, das Blut mit dem Ärmel abzuwischen, aber der Ärmel ist aus Wolle, und das Blut wird nur verteilt, bis die eine Seite vom Gesicht des Papstes ganz eingesaut ist. Dad sagt, Gott in der Höhe, Angela, jetzt hast du den Papst völlig zerstört, und sie sagt, arrah, hör auf zu winseln, wir besorgen uns Farbe und bringen sein Gesicht irgendwann mal in Ordnung, und Dad sagt, er ist der einzige Papst, der jemals ein Freund des Arbeiters war, und was sollen wir bloß sagen, wenn jemand von der Gesellschaft vom Hl. Vincent de Paul reinkommt und sieht, daß er über und über mit Blut besudelt ist? Mam sagt, weiß ich nicht. Es ist dein Blut, und es ist traurig, wenn ein Mann nicht mal einen Nagel gerade einschlagen kann. Das zeigt nur wieder, wie nutzlos du bist. Auf einem Acker wärst du weit besser aufgehoben,
und außerdem ist mir das sowieso alles egal, mir tut der Rücken weh, und ich geh jetzt ins Bett.
Och, was soll ich nur tun? sagt Dad.
Nimm den Papst von der Wand und versteck ihn im Kohlenkasten unter der Treppe, wo man ihn nicht sehen kann und wo er keinen Schaden anrichtet.
Kann ich nicht, sagt Dad. So was bedeutet Pech. Einen Papst sperrt man nicht in den Kohlenkasten. Wenn der Papst hängt, dann hängt er.
Mach doch, was du willst, sagt Mam.
Mach ich auch, sagt Dad.
Das sind jetzt unsere ersten Weihnachten in Limerick, und die Mädchen sind draußen auf der Gasse, springen Seil und singen:
Weihnachten kommt,
Die Gans wird fett und gut.
Bitte einen Penny
Dem Armen in den Hut.
Hast du keinen Penny,
Tust du mir leid, hoho,
Und hast du keinen halben Penny,
Geht es auch so. Ref 16
Die Jungs uzen die Mädchen und singen statt dessen:
Und deine Mutter soll krepieren
Draußen aufem Klo.
Mam sagt, sie hätte so gern ein schönes Weihnachtsessen, aber was kann man schon machen, wenn das Arbeitsamt das Stempelgeld auf sechzehn Shilling kürzt, nachdem Oliver und Eugene gestorben sind? Man muß die sechs Shilling Miete zahlen, da bleiben einem zehn Shilling, und was nützt einem das bei vier Personen?
Dad kriegt keine Arbeit. Er steht an Wochentagen früh auf, macht das Feuer an, kocht Wasser für den Tee und seine Rasierschale. Er zieht sich ein Hemd an und befestigt einen Kragen daran. Er bindet sich den Schlips um und setzt sich die Mütze auf und geht aufs Arbeitsamt, um für das Stempelgeld zu unterschreiben. Nie verläßt er das Haus ohne Schlips und Kragen. Ein Mann ohne Schlips und Kragen ist ein Mann ohne Selbstachtung. Man weiß nie, wann der Mann beim Arbeitsamt einem vielleicht mal sagt, in Rank’s Mühle oder bei
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