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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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werde nicht Die Straße nach Rasheen singen.
    Das weiß ich doch, Pat, sagt Mam.
    Pat zieht die Decke herunter, die Mam dort hingelegt hatte, um Eugene warm zu halten. Eugenes Füße sind strahlend weiß mit kleinen blauen Adern. Pat beugt sich vor, hebt Eugene auf und drückt ihn an seine Brust. Er küßt Eugene auf die Stirn, und dann küßt jeder im Zimmer Eugene. Er legt Eugene in den Sarg und tritt einen Schritt zurück. Wir sind alle im Kreis versammelt und sehen Eugene zum letztenmal an.
    Onkel Pat sagt, siehst du, Angela, ich hab ihn nicht fallen gelassen, und sie faßt sein Gesicht an.
    Tante Aggie geht zur Kneipe, um den Kutscher zu holen. Er legt den Deckel auf den Sarg und schraubt ihn fest. Er sagt, wer fährt bei mir mit? und trägt den Sarg zur Kutsche. Platz ist nur für Mam und Dad, Malachy und mich. Oma sagt, fahrts ihr zum Friedhof, und wir warten hier.
    Ich weiß nicht, warum wir Eugene nicht behalten können. Ich weiß nicht, warum sie ihn mit diesem Mann wegschicken müssen, der seine Pint auf dem weißen Sarg abstellt. Ich weiß nicht, warum sie Margaret wegschicken mußten und Oliver. Es ist schlimm, meine Schwester und meine Brüder in eine Kiste zu stecken, und ich würde gern jemandem was sagen.

    Das Pferd ging klippediklapp durch die Straßen von Limerick. Malachy sagte, sehen wir jetzt Oliver? und Dad sagte, nein, Oliver ist im Himmel, und frag mich nicht, was der Himmel ist, ich weiß es nämlich nicht.
    Mam sagte, der Himmel ist ein Ort, an dem Oliver und Eugene und Margaret fröhlich sind und es warm haben, und da sehen wir sie eines Tages wieder.
    Malachy sagte, das Pferd hat sein Pipi auf die Straße gemacht, und das hat gerochen, und Mam und Dad lächelten.
     
     
    Auf dem Friedhof klettert der Kutscher vom Bock und öffnet die Tür. Gebts mir den Sarg, sagt er, und ich trag ihn ans Grab. Er zerrt an dem Sarg und stolpert. Mam sagt, in diesem Zustand werden Sie mein Kind nicht tragen. Zu Dad sagt sie, du trägst ihn.
    Machts, was ihr wollts, sagt der Kutscher. Machts, was ihr verdammtnochmal wollts, und er klettert wieder auf seinen Bock. Es wird jetzt dunkel, und der Sarg sieht in Dads Armen noch weißer aus. Mam nimmt uns an der Hand, und wir folgen Dad zwischen den Gräbern hindurch. Die Dohlen sitzen still auf ihren Bäumen, denn ihr Tag ist fast vorbei, und sie müssen sich ausruhen, damit sie morgens früh aufstehen können und ihre Babys füttern.

    Zwei Männer mit Schaufeln warten neben einem kleinen offenen Grab. Ein Mann sagt, ihr kommts aber spät. Ihr habts Glück, daß es nicht viel Arbeit macht, sonst wären wir schon fort. Er klettert ins Grab. Her damit, sagt er, und Dad gibt ihm den Sarg.
    Der Mann streut etwas Stroh und Gras auf den Sarg, und als er heraussteigt, schaufelt der andere Mann die Erde hinein. Mam schreit langgezogen, o Jesus, Jesus, und eine Dohle krächzt auf einem Baum. Ich hätte gern mit einem Stein nach ihr geworfen.
    Als die Männer mit Erdeschaufeln fertig sind, wischen sie sich die Stirn und warten. Einer sagt, äh, nun, ja, normalerweise gibt es eine Kleinigkeit gegen den Durst, der damit verbunden ist.
    Dad sagt, ach so, ja, ja, und gibt ihnen Geld.
    Sie sagen, tut uns leid, der ganze Kummer, und sie gehen.
    Wir machen uns auf den Weg zurück zur Kutsche am Friedhofstor, aber die Kutsche ist weg. Dad sieht sich in der Dunkelheit um und kommt kopfschüttelnd zurück. Mam sagt, dieser Kutscher ist nichts als ein dreckiger, alter Trunkenbold, möge Gott mir verzeihn.
     
     
    Zu Fuß ist es ein langer Weg vom Friedhof bis zu unserem Zimmer. Mam sagt zu Dad, diese Kinder
brauchen etwas zu essen, und du hast von heute früh noch Stempelgeld übrig. Wenn du denkst, du kannst heute abend in die Kneipen gehen, dann kannst du’s vergessen. Wir nehmen sie mit zu Naughton, und da können sie Fisch mit Fritten und Limonade kriegen, denn einen Bruder beerdigen sie ja nicht jeden Tag.
    Der Fisch und die Fritten sind köstlich, mit Essig und Salz, und die Limonade rinnt uns säuerlich die Kehle hinunter.
    Als wir nach Hause kommen, ist das Zimmer leer. Auf dem Tisch stehen leere Stoutflaschen, und das Feuer ist ausgegangen. Dad zündet die Paraffinöllampe an, und man kann die Mulde sehen, die Eugenes Kopf auf dem Kissen hinterlassen hat. Man erwartet ihn gleich zu hören und zu sehen, wie er durchs Zimmer krabbelt und auf das Bett klettert, um aus dem Fenster zu sehen, ob Oliver da ist.
    Dad sagt Mam, er geht noch ein bißchen spazieren. Sie sagt nein.

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