Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
Sie weiß, was er vorhat, daß er es nicht erwarten kann, seine letzten paar Shilling in den Kneipen auszugeben. Na gut, sagt er. Er macht Feuer an, und Mam kocht Tee, und bald sind wir im Bett.
Malachy und ich sind wieder in dem Bett, in dem Eugene gestorben ist. Ich hoffe, ihm ist nicht kalt in diesem weißen Sarg auf dem Friedhof, obwohl ich weiß, daß er da gar nicht mehr ist, denn
Engel kommen auf den Friedhof und machen den Sarg auf, und er ist weit weg von der Feuchtigkeit des Shannon, die einen umbringt, oben im Himmel bei Oliver und Margaret, und da gibt es jede Menge Fisch, Fritten und Karamelbonbons und keine Tanten, die einen ärgern, und alle Väter bringen ihr Stempelgeld vom Arbeitsamt nach Hause, und man braucht nicht in den Kneipen herumzurennen, um sie zu finden.
3
Mam sagt, sie erträgt es keine Minute mehr in dem Zimmer in der Hartstonge Street. Sie sieht Eugene morgens, mittags, abends und in der Nacht. Sie sieht, wie er aufs Bett klettert, um nachzusehen, ob Oliver draußen auf der Straße ist, und manchmal sieht sie Oliver draußen und Eugene drinnen, und die beiden schwatzen um die Wette. Sie ist froh, daß sie so schwatzen, aber sie will sie nicht bis an ihr Lebensende sehen und hören. Es ist eine Schande umzuziehen, wenn man so nah an Leamy’s National School wohnt, aber wenn sie nicht bald umzieht, wird sie wahnsinnig und kommt womöglich noch ins Irrenhaus.
Wir ziehen in die Roden Lane ganz oben in einem Stadtteil namens Barrack Hill. In der Gasse sind sechs Häuser auf der einen Straßenseite, und eins steht auf der anderen. Die Häuser heißen Zwei-oben-zwei-unten: zwei Zimmer oben, zwei Zimmer unten. Unser Haus ist das am Ende der Gasse, das letzte von den sechs. Gleich daneben steht ein kleiner Verschlag – ein Klo – und gleich daneben ein Stall.
Mam geht zur Gesellschaft des Hl. Vincent de Paul, um zu sehen, ob vielleicht die Möglichkeit
besteht, daß wir Möbel kriegen. Der Mann sagt, er gibt uns eine Bescheinigung für einen Tisch, zwei Stühle und zwei Betten. Er sagt, wir müssen in eine Gebrauchtmöbelhandlung in Irishtown gehen und die Möbel selbst nach Hause transportieren. Mam sagt, wir können den Kinderwagen nehmen, den sie für die Zwillinge hatte, und als sie das sagt, weint sie. Sie wischt sich mit dem Ärmel die Augen ab und fragt den Mann, ob die Betten, die wir kriegen, auch gebraucht sind. Er sagt, natürlich sind die auch gebraucht, und sie sagt, das macht ihr große Sorgen, in einem Bett zu schlafen, in dem vielleicht schon mal jemand gestorben ist, besonders wenn die Betreffenden die Schwindsucht hatten. Der Mann sagt, tut mir sehr leid, aber ’nem geschenkten Gaul sieht man nicht ins Maul.
Wir brauchen den ganzen Tag, um die Möbel mit dem Kinderwagen vom einen Ende von Limerick bis ans andere zu schleppen. Der Kinderwagen hat vier Räder, aber eins ist bockig, es will immer in eine andere Richtung. Wir haben jetzt zwei Betten, eine Kommode mit einem Spiegel, einen Tisch und zwei Stühle. Wir sind froh über das Haus. Wir können von einem Zimmer ins andere und die Treppe rauf und runter. Man kommt sich sehr reich vor, wenn man den ganzen Tag nach Herzenslust die Treppe rauf und runter kann. Dad macht Feuer an, und Mam kocht Tee.
Er sitzt am Tisch auf dem einen Stuhl, sie sitzt auf dem anderen, und Malachy und ich sitzen auf dem Überseekoffer, den wir aus Amerika mitgebracht haben. Während wir unseren Tee trinken, kommt ein alter Mann mit einem Eimer an unserer Haustür vorbei. Er leert den Eimer ins Klo und spült, und in unserer Küche stinkt es gewaltig. Mam geht an die Tür und sagt, warum leeren Sie Ihren Eimer in unser Klo? Er zieht vor ihr die Mütze. Ihr Klo, Missis? O nein. Da machen Sie einen kleinen Fehler, haha. Das ist nicht Ihr Klo. Dies ist vielmehr das Klo für die ganze Gasse. Sie werden die Eimer von elf Familien an sich vorüberziehen sehen, und ich kann Ihnen sagen, in der warmen Jahreszeit wird das sehr kraftvoll, sehr, sehr kraftvoll. Jetzt haben wir Dezember, Gott sei Dank, es liegt Kälte in der Luft, und Weihnachten steht vor der Tür, und das Klo ist halb so schlimm, aber der Tag wird kommen, an dem Sie nach einer Gasmaske verlangen. Nun wünsche ich Ihnen eine gute Nacht, Missis, und ich hoffe, Sie werden glücklich in Ihrem Haus.
Mam sagt, Augenblick mal. Könnten Sie mir sagen, wer das Klo saubermacht?
Saubermacht? Lieber Jesus, das ist eine gute Frage. Saubermacht, sagt sie. Scherzen Sie möglicherweise? Diese
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