Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
seinem
Lohn nichts mehr übrig, und da können wir genausogut ins Bett gehen.
Sie liegt in ihrem Bett und hat Michael in den Armen. Es ist still in der Gasse, und ich kann meine Mutter weinen hören, obwohl sie sich einen alten Mantel übers Gesicht zieht, und in der Ferne höre ich jetzt auch meinen Vater.
Ich weiß, daß es mein Vater ist, weil er der einzige in Limerick ist, der dieses Lied aus dem Norden singt, in dem sich Roddy McCorley zum Sterben begibt, heute noch, auf der Brücke von Toome. Wo die Gasse anfängt, biegt er um die Ecke und fängt mit Kevin Barry an. Er singt eine Strophe, bleibt stehen, hält sich an einer Häuserwand fest, weint wegen Kevin Barry.
Leute stecken den Kopf aus Fenstern und Türen und sagen ihm, um Jesu willen, stopf dir eine Socke rein. Manche von uns müssen morgens aufstehen und zur Arbeit. Geh nach Hause und sing da deine, äh, verdampften patriotischen Lieder.
Er steht mitten auf der Gasse und sagt der Welt, sie soll rauskommen, er ist bereit zu kämpfen, bereit, für Irland zu kämpfen und zu sterben, und das ist mehr, als man über die Männer von Limerick sagen kann, die auf der ganzen Welt der Länge und der Breite nach dafür bekannt sind, daß sie mit dem Sachsen, dem perfiden, kollaborieren.
Er stößt unsere Tür auf und singt.
Wenn alles ringsum Wache hält –
Der Westen schläft, taub für die Welt.
Ganz Erin zag der Kummer quält,
Wenn Connaught tief in Schlummer fällt.
Doch horcht! die Stimm’ wie Donner sprach:
Wach ist der Westen, wach, wach, wach!
Hurra, nun Englands Joch ich brach
Und tilg auf ewig Erins Schmach! Ref 17
Er ruft von unten herauf, Angela, Angela, haben wir einen Tropfen Tee im Hause?
Sie antwortet nicht, und jetzt ruft er, Francis, Malachy, kommt zu mir herunter. Ich habe den Freitagspenny für euch.
Ich will nach unten laufen, um mir meinen Freitagspenny zu holen, aber Mam schluchzt mit dem Mantel über ihrem Mund, und Malachy sagt, ich will seinen ollen Freitagspenny gar nicht.
Dad taumelt die Treppe hoch und hält eine Rede, in der es darum geht, daß wir alle für Irland sterben müssen. Er zündet ein Streichholz an und hält es an die Kerze neben Mams Bett. Er hält die Kerze hoch über seinem Kopf und marschiert im Zimmer herum und singt:
Seht, wer da kommt durch die rotblüh’nde Heide,
Grün küßt ihr Banner die Bergluft so rein.
Kopf hoch, Blick voran, jeder Kerl wie Geschmede;
Die Freiheit, sie thront in ihrer Herzen Schrein. Ref 18
Michael wacht auf und schreit laut, die Hannons ballern nebenan an die Wand, Mam sagt Dad, er ist ein Schandfleck, und er soll nicht nur das Zimmer, sondern auch gleich das Haus verlassen. Er steht mitten auf dem Fußboden und hält die Kerze hoch über seinem Kopf. Er zieht einen Penny aus der Tasche und winkt Malachy und mir damit zu.
Euer Freitagspenny, Jungs, sagt er. Ich will, daß ihr jetzt aus dem Bett springt und euch aufstellt wie zwei Soldaten und versprecht, daß ihr für Irland sterbt, und dann gebe ich euch den Freitagspenny.
Malachy setzt sich im Bett auf. Ich will ihn gar nicht, sagt er dann.
Und ich sage ihm, ich will ihn auch nicht.
Dad steht eine Minute schwankend da und steckt dann den Penny zurück in seine Tasche. Er will etwas zu Mam sagen, und sie sagt, heute nacht schläfst du nicht in diesem Bett. Er findet mit der Kerze den Weg die Treppe hinunter,
schläft auf einem Stuhl, kommt morgens zu spät zur Arbeit, verliert den Job in der Zementfabrik, und wir sind wieder auf Stempelgeld angewiesen.
4
Der Lehrer sagt, es ist Zeit, sich auf die erste Beichte und die hl. Erstkommunion vorzubereiten, alle Fragen und Antworten im Kathechismus zu wissen und zu behalten, ein guter Katholik zu werden, den Unterschied zwischen richtig und falsch zu kennen, für den Glauben zu sterben, falls das verlangt wird.
Der Lehrer sagt, es ist herrlich, für den Glauben zu sterben, und Dad sagt, es ist herrlich, für Irland zu sterben, und ich frage mich, ob es wohl auf der Welt jemanden gibt, der möchte, daß wir leben. Meine Brüder sind tot, und meine Schwester ist tot, und ich frage mich, ob sie für Irland gestorben sind oder für den Glauben. Dad sagt, sie waren zu jung, um für irgendwas zu sterben. Mam sagt, es waren Krankheit und Hunger und weil er nie Arbeit hat. Dad sagt, och, Angela, setzt sich die Mütze auf und geht lange spazieren.
Der Lehrer sagt, wir sollen alle drei Pence mitbringen für den Erstkommunionskathezismus mit dem grünen Einband. In dem
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