Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
schwarz, und dann fallen sie nacheinander aus. Dad sagt, er hat Löcher in den Zähnen, groß genug, daß ein Spatz eine Familie drin gründen kann. Er hat noch ein paar übrig, aber er läßt sie sich in der Klinik ziehen und beantragt ein Gebiß. Als er mit den neuen Zähnen nach Hause kommt, zeigt er sein großes neues weißes Lächeln, mit dem er aussieht wie ein Amerikaner, und immer, wenn er uns am Feuer eine Gespenstergeschichte erzählt, drückt er die unteren Zähne über die Lippe bis unter die Nase nach oben und gruselt uns zu Tode. Mams Zähne sind so schlecht, daß sie in Barrington’s Hospital muß, um sich alle gleichzeitig ziehen zu lassen, und als sie nach Hause kommt, schießt ihr das Blut aus den Wunden, und sie hält sich einen Lappen vors Gesicht, der strahlendrot von Blut ist. Sie muß die ganze Nacht aufrecht vorm Kamin sitzen, denn wenn einem das Blut aus dem Zahnfleisch schießt, kann man sich nicht hinlegen, weil man sonst im Schlaf erstickt. Sie sagt, sie gewöhnt sich das Rauchen ganz ab, wenn nur endlich das Geblute aufhört, aber jetzt braucht sie erst mal einen Zug an der Kippe, das ist ihr einziger Trost. Sie sagt Malachy, er soll in Kathleen O’Connells Laden gehen und sie fragen, ob
sie ihm wohl fünf Woodbines überläßt, bis Dad am Donnerstag sein Stempelgeld kriegt. Wenn jemand Kathleen die Kippen entlocken kann, dann Malachy. Er hat den Charme, und dich brauche ich gar nicht erst loszuschicken, sagt sie zu mir, mit deinem langen Gesicht und dieser komischen Art, die du von deinem Vater hast.
Als das Geblute aufhört und Mams Zahnfleisch heilt, geht sie wegen ihrer falschen Zähne in die Klinik. Sie sagt, sie gewöhnt sich das Rauchen ab, sobald sie die neuen Zähne trägt, aber das macht sie nie. Die neuen Zähne reiben sich an ihrem Zahnfleisch, und es wird wund, und der Rauch von den Woodbines lindert den Schmerz. Sie sitzt mit Dad am Feuer, wenn wir eins haben, und sie rauchen ihre Zigaretten, und wenn sie reden, klackern ihre Zähne. Sie versuchen, das Klackern zu verhindern, indem sie die Kinnlade vorwärts und rückwärts schieben, aber das macht es noch schlimmer, und sie verfluchen die Zahnärzte und die Leute da oben in Dublin, die die Zähne gemacht haben, und während sie fluchen, klackern sie. Dad behauptet, diese Zähne seien für reiche Leute in Dublin gemacht wurden und hätten nicht gepaßt und wären deshalb an die Armen von Limerick weitergereicht worden, denen es nichts ausmacht, denn wenn man arm ist, hat man sowieso nicht viel zu kauen, und man ist dankbar, wenn man überhaupt irgendeine Sorte
von Zähnen im Kopf hat. Wenn sie zu lange reden, wird das Zahnfleisch wund, und die Zähne müssen raus. Dann sitzen sie mit eingeschnurrten Gesichtern am Feuer. Jede Nacht lassen sie die Zähne in Marmeladengläsern voller Wasser in der Küche stehen. Malachy will wissen, warum, und Dad sagt ihm, dadurch werden sie sauber. Mam sagt, nein, man kann die Zähne nicht im Kopf haben, wenn man schläft, denn dann verrutschen sie, und dann erstickt man endgültig und stirbt.
Die Zähne sind der Grund dafür, daß Malachy in Barrington’s Hospital geschafft werden und ich mich operieren lassen muß. Malachy flüstert mir mitten in der Nacht zu, wollen wir mal nach unten und sehen, ob wir die Zähne tragen können?
Die Zähne sind so groß, daß wir Schwierigkeiten haben, sie in den Mund zu bekommen, aber Malachy gibt nicht auf. Er zwingt sich Dads obere Zähne in den Mund und kriegt sie nicht wieder heraus. Seine Lippen sind nach hinten gezogen, und die Zähne grinsen breit. Er sieht aus wie ein Filmmonster, und ich muß lachen, aber er zerrt an ihnen und grunzt, ugk, ugk, und er hat Tränen in den Augen. Je mehr er ugk, ugk macht, desto mehr muß ich lachen, bis Dad von oben ruft, was macht ihr Bengels denn da unten? Malachy rennt von mir weg, die Treppe hoch, und jetzt höre ich, wie Dad und Mam lachen, bis sie merken, daß er
an den Zähnen ersticken kann. Sie stecken ihm beide die Finger in den Mund, um die Zähne herauszuziehen, aber Malachy kriegt Angst und macht verzweifelte Ukg-ugk-Geräusche. Mam sagt, wir müssen ihn ins Krankenhaus bringen, und Dad sagt, er geht.
Ich muß mit, falls der Arzt Fragen hat, weil ich älter bin als Malachy, und das bedeutet, daß ich damit angefangen haben muß.
Dad rast mit Malachy in den Armen durch die Straßen, und ich versuche Schritt zu halten. Mir tut Malachy da oben mit seinem Gesicht auf Dads Schulter leid, Tränen auf
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