Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
O’Connor gehen.
Am vierten Samstagvormittag klopft Billy Campbell gegen unsere Tür. Mrs. McCourt, kann Frankie zum Spielen raus? Mam sagt zu ihm, nein, Billy, Frankie geht in seine Tanzstunde.
Unten am Barrack Hill wartet er auf mich. Er will wissen, warum ich tanze, wo doch jeder weiß, daß Tanzen was für Waschlappen ist, und ich werde noch enden wie Cyril Benson und einen Kilt mit Medaillen tragen und in einem fort mit Mädchen tanzen. Er sagt, als nächstes sitze ich in der Küche und stricke Socken. Er sagt, das Tanzen wird mich zugrunde richten, und ich werde nicht mehr in der Lage sein, irgendeine Art von Fußball zu spielen – Football, Fußball,
Rugby und gälischen Fußball schon gar nicht –, weil man sich durch Tanzen den Laufstil versaut, und dann läuft man wie ein Waschlappen, und alle lachen.
Ich sage ihm, mit dem Tanzen bin ich fertig, in der Tasche habe ich noch Sixpence für Mrs. O’Connor, die eigentlich in den Mund des schwarzen Jungen gehören, und ich gehe jetzt statt dessen ins Lyric Cinema. Mit den Sixpence kommen wir beide rein und haben noch zwei Pence für zwei Vierecke Cleeves’ Karamel übrig, so daß wir uns mit Genuß Fuzzy, der Schrecken von Texas ansehen können.
Dad sitzt mit Mam vor dem Kamin, und sie wollen wissen, welche Schritte ich heute gelernt habe und wie sie heißen. Ich habe immer Die Belagerung von Ennis und Die Mauern von Limerick vorgemacht, und das sind richtige Tänze. Jetzt muß ich Namen und Tänze erfinden. Mam sagt, von Der Belagerung von Dingle hat sie noch nie gehört, aber wenn ich den gelernt habe, nur zu, mach vor, und ich tanze mit den Händen an der Hosennaht durch die Küche und mache meine eigene Musik, tüdelü ü die ü die ü tudelu u wie du wie du, und Dad und Mam klatschen im Takt zu meinen Füßen in die Hände. Dad sagt, och, das ist ein schöner Tanz, und du wirst ein kraftvoller irischer Volkstänzer werden und den Männern, die für ihr Vaterland starben, Ehre machen.
Mam sagt, für Sixpence war das aber nicht viel.
In der nächsten Woche ist es ein Film mit George Raft und in der Woche danach ein Cowboyfilm mit George O’Brien. Dann ist es James Cagney, und ich kann Billy nicht mitnehmen, weil ich zu meinem Cleeves’ Karamel gern noch eine kleine Tafel Schokolade hätte, und der Film ist ein Hochgenuß, bis ich plötzlich einen gräßlichen Schmerz im Kiefer spüre, und ein Zahn steckt im Karamel fest, und der Schmerz bringt mich um. Das Karamelbonbon kann ich aber trotzdem nicht vergeuden, also ziehe ich mir den Zahn und stecke ihn in die Tasche und kaue das Karamelbonbon auf der anderen Seite des Mundes, mit Blut und allem Drum und Dran. Auf der einen Seite ist der Schmerz und köstliches Karamel auf der anderen, und mir fällt ein, was mein Onkel Pa Keating sagen würde: Manchmal weiß man nicht – muß man nötiger scheißen, oder wird man doch lieber blind.
Jetzt muß ich nach Hause und mir Sorgen machen, denn man kann nicht mit einem Zahn weniger durch die Welt gehen, ohne daß es die Mutter merkt. Mütter merken immer alles, und sie blicken einem ständig in den Mund, um herauszufinden, ob dort irgendeine Sorte von Krankheit nistet. Sie sitzt da am Kamin, und Dad ist auch da, und sie stellen mir die gleichen alten Fragen,
Tanz sowie Name des Tanzes. Ich sage ihnen, ich habe Die Mauern von Cork gelernt, und tanze in der Küche umher und versuche, eine erfundene Melodie zu summen, und sterbe vor Zahnschmerz. Mam sagt, Die Mauern von Cork, ich glaub es wohl, so einen Tanz gibt es gar nicht, und Dad sagt, komm her zu mir. Stell dich hierhin. Sag uns die Wahrheit: Bist du heute in deinen Tanzunterricht gegangen?
Ich kann nicht weiterlügen, weil mein Kiefer mich umbringt und mein Mund voll Blut ist. Außerdem weiß ich, daß sie alles wissen, und das sagen sie mir nun. Irgendeine falsche Schlange von einem Buben aus der Tanzschule hat gesehen, wie ich ins Lyric Cinema gegangen bin, und hat gepetzt, und Mrs. O’Connor hat eine Nachricht geschickt, sie hätte mich seit einer Ewigkeit nicht gesehen, und ob ich wohlauf sei, weil ich nämlich vielversprechende Anlagen zeigte und in die Fußstapfen des großen Cyril Benson treten könnte.
Dad sind mein Zahn und alles andere ganz egal. Er sagt, ich muß zur Beichte, und er zerrt mich zur Erlöserkirche, weil Samstag ist und den ganzen Tag Beichte. Er sagt mir, ich bin ein böser Junge, er schämt sich für mich, weil ich ins Kino gegangen bin, anstatt Irlands nationale Tänze
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