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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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Engel immer dreckig sind. Wir wollen das Baby kitzeln, aber sie sagt, nein, nein, anschauen könnts ihr es, aber anfassen wollen wir es doch lieber nicht.
    Wir wollen es nicht anfassen. So reden Krankenschwestern.
    Wir sitzen am Tisch und trinken Tee und essen Brot und sehen unseren neuen Bruder an, aber er macht nicht mal die Augen auf, um zu uns zurückzusehen, also gehen wir spielen.
    Nach ein paar Tagen steht Mam aus dem Bett auf und hält das Baby vor dem Herd auf dem Schoß. Er hat die Augen offen, und wenn wir ihn kitzeln, macht er ein gurgelndes Geräusch, sein Bauch wackelt, und wir lachen. Dad kitzelt ihn und singt ein schottisches Lied:
    Oh, oh, bitte nicht mehr kitzeln, Jock,
Nicht mehr kitzeln, Jock.
Nicht mehr kitzeln,
Kitze katze itzeln,
Bitte nicht mehr kitzeln, Jock. Ref 22
    Dad hat Arbeit, deshalb kann Bridey Hannon Mam und das Baby besuchen, wann sie will, und ausnahmsweise sagt Mam uns nicht, wir sollen spielen gehen, damit sie über Geheimnisse reden können. Sie sitzen rauchend beim Feuer und sprechen über Namen. Mam sagt, sie mag die Namen
Kevin und Sean, aber Bridey sagt, ach nein, davon gibt es zu viele in Limerick. Ogottogott, Angela, wenn du den Kopf zur Tür rausstreckst und rufst, Kevin oder Sean, Abendbrot! stürmt dir halb Limerick die Bude.
    Bridey sagt, wenn sie einen Sohn hätte, was, so es Gott gefällt, eines Tages geschehen wird, nennt sie ihn Ronald, weil sie so für Ronald Coleman schwärmt, den man im Coliseum Cinema zu sehen kriegt. Oder Errol, ebenfalls ein wunderschöner Name, Errol Flynn.
    Mam sagt, hör bloß auf mit so was, Bridey. Ich könnte nie den Kopf zur Tür hinausstrecken und sagen, Errol, Errol, Abendbrot. Da lachen sich ja alle kaputt über das arme Kind.
    Ronald, sagt Bridey, Ronald. Er ist hinreißend.
    Nein, sagt Mam, es muß was Irisches sein. Denn haben wir nicht all die Jahre dafür gekämpft? Wozu bekämpft man jahrhundertelang die Engländer, wenn wir unsere Kinder dann Ronald nennen?
    Gott, Angela, du hörst dich ja schon an wie er selbst, mit seinem irischen Dies und seinem englischen Das.
    Trotz- und alledem, Bridey, er hat recht.
    Plötzlich keucht Bridey, Gott, Angela, da stimmt was nicht mit dem Kind.
    Mam springt vom Stuhl auf, umarmt das Kind, stöhnt, ach Gott, Bridey, er erstickt.

    Bridey sagt, ich hol schnell meine Mutter, rennt weg und ist eine Minute später mit Mrs. Hannon wieder da. Rizinusöl, sagt Mrs. Hannon. Habt ihr so was? Irgendein Öl. Lebertran? Her damit.
    Sie gießt dem Baby Lebertran in den Mund, legt es auf den Bauch, drückt ihm auf den Rükken, dreht es wieder um, steckt ihm einen Löffel in den Hals und holt eine weiße Kugel heraus. Na bitte, sagt sie. Die Milch. Die sammelt sich an und wird hart in dem kleinen Hals, deshalb muß man den Klumpen mit irgendeinem Öl lockern.
    Mam weint, Gott, ich hätte ihn beinah verloren. Das hätte ich nicht überlebt, das nicht.
    Sie umklammert das Baby und weint und versucht, Mrs. Hannon zu danken.
    Yerra, schon gut, Missus. Nehmen Sie das Kind und gehen Sie zurück in das Bett, denn ihr beiden habts einen großen Schock gehabt.
    Während Bridey und Mrs. Hannon Mam ins Bett helfen, bemerke ich Blutstropfen auf Mams Stuhl. Verblutet meine Mutter? Ist es in Ordnung, wenn man sagt, seht mal, da ist Blut auf Mams Stuhl? Nein, man kann gar nichts sagen, weil sie immer Geheimnisse haben. Ich weiß, wenn man irgendwas sagt, sagen einem die Erwachsenen, egal, was gibt’s denn da zu glotzen, geht dich nichts an, geh spielen.
    Ich muß es für mich behalten, oder ich kann mit dem Engel sprechen. Mrs. Hannon und Bridey
gehen, und ich setze mich auf die siebte Stufe. Ich versuche dem Engel zu sagen, daß Mam verblutet. Ich will, daß er zu mir sagt, nicht sollst du dich fürchten, aber die Stufe ist kalt, kein Licht, keine Stimme. Er ist bestimmt für alle Zeiten weg, und ich frage mich, ob das nicht sowieso normal ist, wenn man neun ist und zehn wird.
    Mam verblutet nicht. Am nächsten Tag steht sie aus dem Bett auf und macht das Kind für die Taufe fertig und sagt zu Bridey, nie würde sie es sich verzeihen, wenn das Baby in den Limbus käme, einen Ort für ungetaufte Babys, wo es zwar schön und warm sein mag, aber doch immerhin ewig finster und keine Hoffnung auf Entrinnen, nicht mal am Jüngsten Tag.
    Oma ist zum Helfen gekommen, und sie sagt, das stimmt, keinerlei Hoffnung im Himmel, wenn ein Kindlein nicht getauft ist.
    Bridey sagt, das wäre aber ein sehr strenger Gott, wenn er so

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