Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)
nur Schnäppchenjäger oder reiche Russen.
Martin Halder fährt mit mir zu seinem Freund Andreas Murkudis. Halders Autosammler geben ihre Kreditkarte auch gerne mal im Laden von Murkudis ab. Von dessen Existenz erfahren nur Eingeweihte. Ein heruntergekommenes Bürogebäude in Berlin, keine Leuchtreklame. Halder steuert den Porsche durch die LKW -Einfahrt und parkt auf dem Lieferantenhof. Ein Loft im Erdgeschoss. Zu kaufen gibt es nur, was Murkudis gefällt. Babykleidung, handgestrickt von Bäuerinnen aus dem Emmental. »Von Frau Frankenhauser« hat Frau Frankenhauser auf den Anstecker geschrieben. Der Preis steht nicht darauf.
Auf einem Podest steht ein Paar schwarze Herrenschuhe. Handarbeit, versteht sich. Sie sehen aus, als sei ein Vorbesitzer damit bereits auf dem Jacobsweg gepilgert. Ignoranten würden sich genieren, sie dem Roten Kreuz zu spenden. Die Wissenden jedoch erkennen am Schuh die Zugehörigkeit. »Die Signale gelten nur den Eingeweihten«, erklärt Martin Halder. Armani, Gucci, Prada – Marken sind Signale für Möchtegerne.
Du bist, was du anziehst, das gilt noch immer. Doch früher war es denen da oben wichtig, ihre Stellung für alle und von Weitem sichtbar zu demonstrieren. Heute entwickelt sich ihre Kleidung zum Geheimcode. Die Oberschicht legt keinen Wert mehr darauf, vom Volk erkannt zu werden. Es herrscht Funkstille.
»Reichtum ist nicht sinnstiftend«, sagt Helge Achenbach. »Menschen, die 100 Millionen und mehr besitzen, sind häufig vereinsamt und haben Angst.« Achenbach weist den Sinnsuchern einen Weg: Kunst. Das Sammeln und Ausstellen wertvoller Kunstwerke ist eine hoch angesehene Form, seinen Reichtum zu genießen. Wer sich in Deutschland eine Yacht für zehn Millionen Euro bauen lässt, gilt als peinlicher Oligarch. Wer für denselben Preis ein Bild von Gerhard Richter ersteigert, ist ein Förderer der Kunst. Beim Kunst-Shopping können Millionäre ungeniert prassen und erwerben nebenbei ein Image von Kultiviertheit.
Kunstverstand ist jedoch nicht an den Kontostand gekoppelt. Daraus hat Helge Achenbach eine Geschäftsidee entwickelt. Er gilt als der Erfinder des »Art Consulting« in Deutschland. Menschen mit viel Geld berät er beim Kauf einzelner Werke oder gleich beim Aufbau einer bedeutenden Sammlung. Reiche umgeben sich häufig mit Kunstwerken. Das ist seit Jahrhunderten so. Wichtig wurde das Kunstsammeln in der Renaissance, zu der Zeit also, als auch das Geld an Bedeutung gewann. Das bedeutet jedoch nicht, dass Besitzer des Geldes automatisch einen Draht zur Kunst entwickeln. Bei vielen seiner Kunden muss Achenbach das Kunstinteresse erst wecken. Er schärft ihre Sinne, formt ihren Geschmack. »Durch Kunst werden manche zu einem neuen Menschen«, behauptet er.
Achenbach bietet ein Rundum-sorglos-Paket. Zu unserem Treffen bringt er gleich zwei Experten einer exklusiven Privatbank mit. Die drei sind ein eingespieltes Team. »Zwischen der Welt der Kunst und des Geldes gibt es große Schnittmengen«, sagt Achenbach. Kunst ist eine lohnende Geldanlage. Die durchschnittliche Rendite der weltweit gehandelten Kunstgegenstände wird auf weit über 10 Prozent geschätzt. 28 Der Kunstmarkt boomt. Die deutschen Auktionshäuser erlebten 2011 ein Rekordjahr. 29
Der wachsende Kunsthandel ist jedoch kein Hinweis für eine ernsthafte Hinwendung der Wohlhabenden zur Kunst. Oldtimer, Wertpapiere und auch Kunst sind spekulative Anlageobjekte. Ob ihr Preis steigt oder fällt, hängt weniger von der Qualität, von objektiven Kriterien ab, sondern von der Mode, vom Herdentrieb, vom Zufall. Der Kauf hat darum stets den Charakter einer Wette. Steigt der Preis für das Spekulationsobjekt, gilt dies dennoch nicht als Glückssache. Besitzer und Publikum sehen darin einen Nachweis für Sachverstand und Genialität. Nicht nur bei den Geldgeschäften, auch beim Umgang mit Kunst wird deutlich: Zocken ist ein Teil der Lebensform der Oberschicht.
Der Handel mit Kunst hat Achenbach selbst reich gemacht. Joseph Beuys und Jörg Immendorff waren seine Weggefährten, Gerhard Richter ist sein Freund. Achenbach hat in seiner Heimatstadt Düsseldorf den zentral gelegenen Graf-Adolf-Platz fast komplett gekauft und neu gestaltet. Hier vereint er Gastronomie und Kunst. Drei gehobene Restaurants und Ausstellungsräume gehen ineinander über. Jörg Immendorff hat eigens für Achenbachs Welt ein rotes Affenlogo und ein paar Affenskulpturen aus Bronze geschaffen. Sie geben dem Platz seinen Namen: Monke y ’s.
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