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Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)

Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)

Titel: Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Wüllenweber
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abschließen. Die Zusage der Versicherung, im Schadensfall zu zahlen, stellt an sich keinen echten Wert dar, sondern einen hypothetischen. Sie ist nur eventuell etwas wert. Aus dieser Eventualität basteln Quants ein spekulatives Finanzprodukt. Sie zerstückeln die Police und verkaufen sie in Häppchen weiter. Am Ende besitzt der Nachbar einen Teil der Rechte aus der Versicherung. Brennt das Haus, bekommt er Geld. Wegen eines Zockerproduktes hat er plötzlich ein Interesse am Schaden der Familie im Haus nebenan. Genau auf diesem Prinzip basieren viele der Produkte der Finanzbranche: Profit am Unglück anderer, am Schaden von Unternehmen, von Staaten. Und durch die Rechentricks der Quants lässt sich mit der Katastrophe, dem Misserfolg, dem Verlust deutlich mehr Geld verdienen als mit dem Erfolg.
    Doch wozu warten, bis tatsächlich jemand einen Kredit absichert? Einige Akteure, die gar keine Kredite vergeben, schließen dennoch eine CDS ab. Auf die Kredite anderer, zum Beispiel auf Staatsanleihen. Wenn sich ein Staat am Kapitalmarkt Geld leiht, versichern die Anleger den Kredit nicht, weil Anleihen von Staaten bis vor Kurzem als eine der sichersten Geldanlagen überhaupt galten. Darum nutzen Banken sie, um damit andere Geschäfte abzusichern. Bislang waren Staatsanleihen nicht das Risiko, sondern die Versicherung.
    In jüngster Zeit schließen völlig unbeteiligte Dritte massenweise CDS auf Staatsanleihen ab. Sie wetten darauf, dass ein Staat seine Schulden nicht zurückzahlen wird. Wegen der Spekulation haben die Zocker ein milliardenschweres Interesse an einem Staatsbankrott. Und helfen mit allen denkbaren Methoden nach: Sie streuen Gerüchte, provozieren Kursschwankungen und verunsichern die Märkte. Auf diese Weise wurde der erzwungene Schuldenschnitt Griechenlands für manche ein goldenes Geschäft: Über zwei Milliarden US -Dollar haben Zocker mit CDS auf griechische Anleihen kassiert. 27
    Esoterik mit Geld
    Die Spekulanten nennen sich »Investoren« oder »Anleger«. Sie kommen nicht aus der Mitte der Gesellschaft, denn Banker haben kein Interesse am Kleingeld der kleinen Leute. Ihre Kundschaft, für die sie im Kasino setzen, kommt aus dem reichsten einen Prozent. Über Jahrzehnte hat sich diese Gesellschaft ein vollkommen falsches Bild vom Reichtum und von den Reichen gemacht. Wer über ein großes Vermögen verfügt, dem wird beinahe automatisch ökonomischer Sachverstand zugesprochen. Wer seinen Kontostand an den Finanzmärkten mit gewagten Transaktionen aufbläht, mit Todeswetten, mit vollkommen unverständlichen Derivaten, mit Milliardenzockereien im Millisekundentakt, mit Versicherungen auf Kredite, die niemals abgeschlossen wurden, wer seine Entscheidungen vorwiegend von Computern treffen lässt, gilt als Anleger, der etwas von Geld versteht.
    Schon John Kenneth Galbraith hat diesen Denkfehler beschrieben: »Diejenigen, die spekulieren, erleben einen Zuwachs an Reichtum. Kein Mensch glaubt gern, dass dies auf Zufall beruht oder unverdient ist; alle möchten vielmehr glauben, dass es das Ergebnis des Durchblicks oder der richtigen Eingebung ist.« 28
    Die Banker waren stets die Unterstützungsindustrie der Parallelgesellschaft ganz oben. Sie waren Teil des billionenschweren Irrglaubens: Die wissen, was sie tun. Die Finanzwirtschaft pflegte ihr Image als Insel der ökonomischen Vernunft. Lange schienen die Kapitalmärkte ein effizienter und funktionierender Mechanismus für die gesamte Marktwirtschaft zu sein. Die Herren des Geldes galten zwar als gefühlskalt, mitunter auch als gnadenlos, doch ihre Argumentation mit Zahlen simulierte Sachlichkeit. Ihre zur Schau gestellte Berechnung wirkte wie eine Form der Seriosität.
    Spätestens in der jüngsten Finanzkrise ist auch die Seriositätsblase der Geldbranche geplatzt. Inzwischen ist klar: Der weitaus größte Teil des Vermögens der Menschheit wird nicht von eiskalten, berechnenden Managern verwaltet, sondern von glühenden Rechenmaschinen, von den Spielkonsolen der Quants. Die Finanzwirtschaft hat den Kontakt zur realen Wirtschaft verloren. Die Banken werden eben nicht vom »Homo oeconomicus« beherrscht, sondern von Gurus und Zahlenspinnern. Ökonomisches Denken, sachliche Analysen und verantwortungsvolles Handeln wurde durch Esoterik ersetzt. Esoterik mit Geld. Die Finanzindustrie hat die Regeln der Vernunft außer Kraft gesetzt. »Die Märkte« wurden zum Aschram der ökonomischen Irrationalität.
    Selbst die Wissenschaft war nicht immun gegen die

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