Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)
die Bankenkrise hat die Verhältnisse überdeutlich gemacht.
Tatsächlich waren die Phasen, in denen Banker hohes Ansehen genossen, in der Geschichte des Geldgewerbes nicht die Regel, sondern ein Ausnahmezustand. Seit dem 13. Jahrhundert, als Florenz zu einer Handelsmacht aufstieg und das dortige Bankengeschäft zu florieren begann, ist die Geschichte des Bankenwesens reich an Irrtümern, Krisen, Spekulationsblasen, Zusammenbrüchen. Die wichtigsten Daten im Geschichtsbuch der Banker sind schwarze Tage.
Crash-Risiko Nummer 1: Wenn die Reichen zu reich werden
Der Harvard-Professor John Kenneth Galbraith wurde berühmt durch seine scharfsinnigen historischen Analysen des Geldgewerbes. Er hat sämtliche Krisen an den Finanzmärkten untersucht und die gemeinsamen Nenner herausgearbeitet. Lange vor dem Platzen der New-Economy-Blase, lange vor der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers, hat Galbraith die Mechanismen der heutigen Finanzmarktkrise detailliert und zutreffend beschrieben. In seinem Standardwerk Der Große Crash 1929 benennt er die fundamentalen, stets wiederkehrenden Ursachen für das Entstehen von Spekulationsblasen, die unvermeidlich platzen müssen.
Die erste und wichtigste Voraussetzung für die »Eskalation des Irrtums« 8 ist für Galbraith eine ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung. »1929 waren die Reichen ganz besonders reich.« 9 Nur fünf Prozent der Haushalte verfügten über ein Drittel des gesamten Volkseinkommens. Dabei geht es Galbraith ausdrücklich nicht um das Arbeitseinkommen, sondern um »Zinsen, Dividenden und Mieten – vereinfacht ausgedrückt, das Einkommen der Wohlhabenden.« 10
Die heiße Luft, die jede Spekulationsblase aufbläst, ist also zu viel Geld in den Händen von zu wenigen. Die Vermögenden besitzen so viel, dass sie nicht mehr wissen, wohin mit ihrem Überfluss. »Die Reichen können nicht Unmengen von Brot kaufen, um ihr Geld umzusetzen.« 11 Vor allem der Reichtum, der nicht erarbeitet werden muss, schwächt das Empfinden für den Wert des Geldes. Die Folge: Die Oberschicht beginnt zu zocken.
Das war schon im 17. Jahrhundert so, beim ersten Börsencrash der Geschichte, der Tulpenkrise in den Niederlanden. Vor allem der Handel mit Ostasien machte die holländischen Händler und Reeder unvorstellbar reich. Auf der Suche nach einem Statussymbol entdeckte die Oberschicht ihre Leidenschaft für die Tulpenzucht. Die Preise für Tulpenzwiebeln verloren jede Bodenhaftung. »Um 1636 konnte eine Zwiebel, die vorher keinen erkennbaren Wert besessen hatte, für einen neuen Wagen, zwei graue Pferde und ein vollständiges Geschirr getauscht werden«, schreibt Galbraith. 12 Im Mai 1637 platzte schließlich die Blase der Unvernunft.
Rund 300 Jahre und einige Finanzkrisen später: In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts war die amerikanische Geldelite auf der Suche nach einem anstrengungslosen Multiplikator für ihre angehäuften Reichtümer. So kamen unter anderem Immobilien in Florida als Spekulationsobjekte in Mode. Und wie immer beim Entstehen einer Spekulationsblase, hatten auch diesmal die Preise bald keinen Bezug mehr zu ihrem realen Wert. »Mit dem Ziel, ohne Arbeit reich zu werden, kamen 1925 Käufer nach Florida, und jede Woche wurde weiteres Land aufgeteilt.« 13
Die Geschichte der Finanzmarktkrisen lehrt: Die Oberschicht ist der eigentliche Verursacher sämtlicher Spekulationsblasen. Nur sie hat genügend Geld zum irrationalen Spekulieren übrig. Eine besonders ungleiche Verteilung des Reichtums ist also nicht nur ungerecht, sondern auch gefährlich für jede Volkswirtschaft. Die Banken sind die Helfershelfer der Reichen. Sie sind die Betreiber des Weltwirtschaftskasinos und erfinden ständig neue Wettspiele mit märchenhaften Gewinnversprechen und unkalkulierbaren Risiken. Erst die Banken ermöglichen den für alle gefährlichen Lebensstil der Oberschicht.
John Kenneth Galbraith ist 2006 im Alter von 97 Jahren gestorben. Die heutige Bankenkrise hat er nicht mehr erlebt. Dennoch lesen sich seine Bücher wie eine Beschreibung der aktuellen Konstellation in Deutschland: Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung besitzen zwei Drittel des gesamten Vermögens. Dem reichsten einen Prozent gehört mehr als ein Drittel, und allein das reichste Promille verfügt über beinahe ein Viertel des Vermögens. 14 Die Vermögenskonzentration hat ein Ausmaß angenommen, das in der Geschichte der Bundesrepublik einmalig ist.
Die heutigen Reichen stellen sich gern als
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