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Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)

Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)

Titel: Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Wüllenweber
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schon deutlich weiter. In den Jahren seit Beginn der Finanzmarktkrise haben die Deutschen dazugelernt. Doch noch zur Jahrtausendwende sahen viele Kunden in den Bankern unabhängige, seriöse Berater. Es wirkte so uneigennützig, wenn die freundlichen Menschen in den Bankfilialen über Geldanlage sprachen und todsichere Finanzprodukte vorschlugen. Erst später – oft zu spät – wurde den Kunden bewusst: Banker handeln nach eigenen Interessen. Sie beraten nicht, sie verkaufen. Und genau wie Autoverkäufer oder Staubsaugervertreter arbeiten sie auf Provisionsbasis.
    Wie für alle anderen Akteure der Wirtschaft ist es auch für Banker und professionelle Helfer legitim, eigene Interessen zu haben und zu verfolgen. In anderen Branchen wird offen mit dem selbstverständlichen Gewinnstreben der Beteiligten umgegangen. Alle wissen, woran sie sind. Doch wenn es um Geld oder Hilfe geht, gehört die Verschleierung wirtschaftlicher Interessen zum üblichen Geschäftsgebaren.
    Die Anmaßung gegenüber der Demokratie
    Die größten Branchen der Volkswirtschaft haben nicht nur kommerzielle Interessen, sondern auch politische. Und sie wissen sie durchzusetzen. Zu diesem Zweck unterhalten sie höchst einflussreiche Netzwerke des politischen Lobbyismus. Die Autoren Sascha Adamek und Kim Otto haben in ihrem Buch Der gekaufte Staat gezeigt, dass der Lobbyismus seinen Aktionsradius über die Welt der Hinterzimmer und der Sterne-Restaurants hinaus ausgedehnt hat und inzwischen in den Ministerien selbst angekommen ist. 9 So stellte etwa der Bundesverband Investment und Asset Management ( BVI ) dem Finanzministerium großzügig eine Mitarbeiterin zur Verfügung. Die »Leihbeamtin« hatte zwar einen Schreibtisch im Ministerium, wurde aber weiterhin vom BVI bezahlt. In der Abteilung »Nationale und Internationale Finanz- und Währungspolitik« wirkte sie maßgeblich an der Formulierung jenes Gesetzes mit, dass schließlich die Zulassung von Hedgefonds in Deutschland erlaubte. Die Finanzindustrie schreibt sich ihre Gesetze gleich selber.
    Von solchen Beispielen haben sich die Sozialverbände einiges abgeschaut. Auch sie »leihen« ihre fähigsten Mitarbeiter inzwischen an die Bundesregierung aus. Mit Schreibtisch und Durchwahlnummer sitzen sie im Sozialministerium und wirken mit an der Formulierung der Sozialgesetze. Auch die Hilfsindustrie schreibt sich ihre Gesetze selber. Dabei hat die Wohlfahrt insgesamt keinen Nachholbedarf, was die Beeinflussung von politischen Entscheidungen angeht. 35 Prozent aller Bundestagsabgeordneten besetzen eine Vorstands- oder Leitungsfunktion in einem Unternehmen oder Verband der Sozialwirtschaft. 10
    Wenn die Finanz- und die Hilfswirtschaft die Politik beeinflussen wollen, dann geht es für sie nur um Details, keinesfalls um existenzielle Fragen. Sie haben längst eine Stellung erreicht, die selbst von demokratischen Entscheidungsprozessen nicht mehr infrage gestellt werden kann. Die großen Finanzinstitute sind »Too Big to Fail«. Ob sie wollen oder nicht: Die Staaten sind gezwungen, sie mit Steuergeldern in Milliardenhöhe zu retten, wenn sie nicht den Wohlstand der gesamten Gesellschaft gefährden wollen. Daran können auch Wahlen nichts ändern.
    Die großen Wohlfahrtsverbände sind Konzerne mit bis zu einer halben Million Beschäftigten. Selbst wenn sich Wähler, Parteien und die gewählten Vertreter in den Parlamenten einig wären, hätten sie nicht die Macht, den Sozialmarkt zu verstaatlichen und die vielen Hilfsleistungen künftig von staatlichen Stellen selbst anbieten zu lassen. Selbst eine teilweise Rückkehr zu einem öffentlich organisierten Hilfssystem ist nicht mehr denkbar. Die Hilfsindustrie ist »Too Big to Change«.
    Zum Kern der Demokratie gehört es, dass einmal getroffene Entscheidungen stets revidiert werden können. Beim Sozialmarkt und bei den Banken ist das nicht mehr möglich. Sie haben sich allein durch ihre Größe dem Zugriff der Demokratie entzogen.
    Die Banker stört das nicht. Das Recht, ganze Volkswirtschaften abzustrafen, nehmen sie sich einfach. Sie vertrauen dem Urteil von Ratingagenturen. Sie zweifeln nicht an der Genialität ihrer mathematischen Modelle. Sie glauben an die Effizienz »der Märkte«. Sie sind überzeugt von ihrer eigenen Überlegenheit gegenüber der alten, lahmen Demokratie.
    Auch die professionellen Helfer haben ein Problem mit der Demokratie. Sie reklamieren für sich das Recht, zu definieren, welche Lebenssituation überhaupt der Hilfe bedarf. Sie

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