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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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beiden lebte Erick auf, wirkte plötzlich aufmerksam.
    Avrell blieb vor mir stehen und blickte mir in die Augen. »Als unten in der Stadt das Feuer ausbrach, wurde die Garde sofort zurückbeordert. Wir wollten Eimerketten zum Hafen bilden, um das Feuer zu löschen oder zumindest zu versuchen, es einzudämmen. Aber die Regentin befahl den Gardisten, nicht zu helfen, und so taten sie es nicht. Ich stand auf dem Turm neben der Regentin, stand dort im Regen und beobachtete, wie die Stadt brannte, wie man sie verbrennen ließ . Weil die Regentin es so befohlen hatte. Und weißt du, was sie getan hat, als die Flammen sich zu den Docks ausbreiteten? Sie hat gelächelt.« Er setzte ab, und ich sah nackte Wut in seinen Augen. »Sie ließ die Stadt in Flammen aufgehen, Varis. Falls ich zuvor noch Zweifel über ihren Geisteszustand hatte, sind sie jetzt verflogen.«
    »Dann ersetzt die Regentin«, sagte ich.
    Er schüttelte den Kopf. »Das habe ich versucht. Jede, die ich auf den Thron setze, stirbt auf grausame Weise. Der Thron … Er verzerrt sie irgendwie, foltert sie, ohne ein Mal an ihren Körpern zurückzulassen. In unserer ganzen Geschichte wurde noch nie versucht, eine noch lebende Regentin zu ersetzen. Die Regentin war immer tot, ehe eine Nachfolgerin benannt wurde. Nein.« Abermals schüttelte er den Kopf. »Nein. Die derzeitige Regentin muss sterben, bevor ich sie ersetzen kann. Ich habe geschworen, den Thron zu beschützen, nicht die Regentin.«
    Ich blickte ihm in die Augen und erkannte, wie sehr es ihn innerlich zerrissen hatte, dies zuzugeben. Es war ein tiefer Riss, so tief wie alles, was ich am Siel erfahren hatte … oder in Amenkor. Denn letzten Endes waren der Siel und Amenkor dasselbe. Die Menschen waren dieselben.
    Mein Blick schweifte zu Erick, der starr dastand. »Sucht Euchjemand anders, der sie tötet. Jemanden wie Erick. Macht sie zu einem der Opfer der Gardisten.«
    Wieder schüttelte Avrell den Kopf. »Nein. Niemand kann sie töten, Varis.« Er warf einen flüchtigen Blick zu Borund, der unbehaglich das Gewicht verlagerte. »Niemand außer dir. Borund hat mir erzählt, dass du die Welt anders siehst, dass diejenigen, die für dich und Borund gefährlich sind, ›rot‹ seien. Von Erick weiß ich, dass du ihm etwas Ähnliches erzählt hast, als du am Siel für ihn gejagt hast.«
    Ich spürte, wie mich ein heißer Schauder durchlief, und ich warf einen finsteren Blick erst auf Borund, dann auf Erick. Doch Avrell fuhr bereits fort.
    »Die Regentin spürt, wenn sich jemand ihr nähert, deshalb wäre ein Mann wie Erick gar nicht in der Lage, ihr nahe genug zu kommen, um sie zu töten. Nein. Nur jemandem wie dir könnte es gelingen. Jemandem, der über mehr als nur die gewöhnlichen Sinne verfügt.« Avrell stand nun unmittelbar vor mir, sodass ich gezwungen war, die Aufmerksamkeit auf ihn zu richten, nicht auf Erick oder Borund. »Ich weiß nicht, wie diese … Begabung wirkt, die du besitzt, aber sie ist unsere einzige Chance, die Regentin zu beseitigen. Du bist die Einzige, die ihr nahe genug kommen kann, um es zu versuchen. Du musst es tun, Varis.«
    Er spürte, wie ich zögerte, und fügte hinzu: »Du würdest sie nicht für uns töten, Varis. Du würdest es für Amenkor tun.« Damit wich er zurück.
    Ich wandte mich Erick zu, suchte bei ihm Hilfe, Unterstützung. Doch seine Miene blieb verkniffen, hart und erbarmungslos.
    »Ich habe sie gesehen, Varis«, sagte er. »Sie ist wirklich wahnsinnig. Aber das weißt du ja bereits. Du hast es dort am Siel als Erste erkannt. Erinnerst du dich an Mari?« Er holte Luft und blies sie langsam aus. »Du hast gemeint, sie wäre kein Opfer gewesen. Damals habe ich dir nicht geglaubt, aber jetzt … DieRegentin hat sich geirrt. Mari hätte nicht sterben sollen. Jemand, der den Unterschied zwischen Gut und Böse, zwischen Unschuldigen und Schuldigen nicht erkennen kann, sollte nicht auf dem Thron sitzen.«
    Mit gerunzelter Stirn starrte ich Erick an, fühlte mich irgendwie betrogen. Das Gefühl, verraten worden zu sein, verstärkte sich, und ich wandte mich wieder Avrell zu.
    Etwas anderes flackerte hinter seinen Augen, etwas Tieferes, als hätte er mir nicht alles erzählt, als hielte er immer noch etwas zurück, eine geheime Absicht.
    »Sucht Euch jemand anderen«, sagte ich, doch meine Stimme klang geschlagen. Ich hatte mich bereits entschieden.
    »Nein.« Während Avrell den Kopf schüttelte, spielte ein Lächeln um seine Lippen, und ich sah erneut jenes

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