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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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bewegte ich mich vom Fenster weg, hielt dann aber inne. Ericks Miene wirkte verkniffen, entschlossen und gefährlich zugleich. Es war derselbe Gesichtsausdruck, den er am Siel hatte, wenn er im Begriff war, ein Opfer zu töten. Als hätte er vor, etwas zu tun, das er zwar bedauerte, aber für notwendig hielt.
    Er sah mich an. Seine Augen gaben nichts preis. Er nickte nicht einmal zum Gruß.
    Von plötzlichem Unbehagen erfüllt, trat ich zurück, als Avrell sich in Bewegung setzte.
    Er ging zuerst auf Borund zu, blickte ihn an und sagte schlicht: »Es ist zwecklos. Wir müssen tun, was wir zuvor besprochen haben.«
    Borund versteifte sich. »Seid Ihr sicher? Gibt es keine andere Möglichkeit?« Er schaute nicht zu mir, während er sprach.
    »Nein«, erwiderte Avrell.
    Borund seufzte. Seine Schultern sanken herab, und er nickte. Dann wandten sich beide mir zu.
    Ich straffte beim Ausdruck in ihren Gesichtern den Rücken, spürte, wie meine geschundenen Schultern sich spannten und wie meine Miene argwöhnisch wurde. Ich beobachtete Avrell, doch es war Borund, der auf mich zukam.
    »Varis, wir brauchen deine Hilfe.«
    Mein Magen verkrampfte sich, und ich holte tief Luft. Zorn flammte in mir auf, doch ehe ich etwas sagen konnte, fuhr Borund fort.
    »Das Feuer, das im Lagerhausviertel ausgebrochen ist, hat einen beträchtlichen Teil unserer Vorräte verbrannt. Die Lebensmittel, die wir beiseite geschafft hatten … Lebensmittel, die schon vor dem Feuer knapp geworden waren … Das alles ist vernichtet. Wenn wir uns von allen Händlern der Stadt nehmen, was übrig ist, und obendrein so viel wie möglich aus den nächstgelegenen Städten kaufen und herbringen, gelingt es uns vielleicht, bis zur Frühjahrsernte zu überleben. Aber dafür müssen die Schiffe innerhalb der nächsten fünf Tage in See stechen. Sie müssen sofort lossegeln, sonst schaffen sie es nicht rechtzeitig zurück, ehe die See wegen der Winterstürme zu rau wird. Verstehst du?«
    Ich schüttelte den Kopf. Die Anspannung in meinem Magen verwandelte sich in schmerzhafte Krämpfe. Denn ein Teil von mir verstand sehr wohl und wusste bereits, was kommen würde.
    Borund seufzte tief. »Wir können nicht kaufen und hierher holen, was wir brauchen, solange der Hafen gesperrt ist.«
    Ich schaute zu Avrell. »Dann gebt den Hafen frei.« Meine Stimme krächzte. »Lasst die Schiffe hinaus.«
    Avrell rührte sich nicht. »Das können wir nicht. Die Anordnung, den Hafen zu schließen, stammt von der Regentin persönlich. Daher kann auch nur sie die Erlaubnis erteilen, ihn wieder zu öffnen. Baill wird auf niemand anderen hören, auchnicht auf mich. Das muss er auch nicht – nicht, wenn er einen unmittelbaren Befehl von der Regentin erhalten hat.«
    Mein Blick huschte zurück zu Borund. »Dann bringt sie dazu, ihre Meinung zu ändern.«
    »Das«, erwiderte Borund, »haben wir bereits versucht.«
    Stille kehrte ein. Ich wusste, was sie vorhatten, aber ich wollte es von ihnen hören.
    »Was wollt ihr von mir?«
    Nun drängte sich niemand darum, zu antworten. Borund wich zurück und hielt den Atem an. Avrell erstarrte. Erick stand an der geschlossenen Tür und beobachtete mich mit nach wie vor harter, verschlossener Miene.
    »Die Regentin ist wahnsinnig, Varis«, brachte Borund schließlich hervor.
    Ich war überrascht. Eigentlich hatte ich erwartet, dass Avrell das Wort ergreifen würde.
    Borund fuhr fort: »Wir möchten, dass du sie …«
    »Nein.« Ich sagte es, ehe er den Satz noch beendet hatte. »Nein, ich will nicht mehr für Euch töten. Ihr müsst eine andere Lösung finden.«
    »Es gibt keine andere Lösung«, entgegnete Borund. Seine Stimme wurde hart, herrisch, verzweifelt. »Wir haben es mit Vernunft versucht, wir haben versucht, ihre Befehle aufzuheben. Wir haben sogar versucht, sie zu ersetzen …«
    »Genug!«
    Avrells Stimme brachte Borund zum Schweigen, und er wandte sich unwillig und aufgebracht ab, doch Avrell schenkte ihm keine Beachtung. Stattdessen musterte er mich.
    »Du hast schon früher gehört, wie wir darüber gesprochen haben. Die Regentin ist wahnsinnig. Irgendetwas im Weißen Feuer vor sechs Jahren hat sie um den Verstand gebracht. Sie hat die Palastgarde in die Stadt entsandt, damit die Männer durch die Straßen patrouillieren, obwohl keine ernste Bedrohung bestand. Sie hat ohne jeden Grund die Sperre des Hafensangeordnet. Aber das ist nicht das Schlimmste.« Er bewegte sich vorwärts und nahm Borunds Platz ein, der zurückwich.
    Hinter den

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