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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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würde jemand mich aus den Schatten beobachten.
    Ich hasste es, wenn jemand mir nachstellte.
    Ich trat einen Schritt vor und suchte die Dunkelheit hinterden Säulen zu beiden Seiten ab. Das Gewicht in der Luft brandete unerbittlich auf mich ein, wie eine unsichtbare Flut, deren Ansturm auf meiner Haut vibrierte.
    Mein schweißnasser Griff um den Dolch lockerte sich.
    Ich ging weiter, diesmal ohne innezuhalten, und suchte erneut die Schatten hinter den Säulen ab, blickte prüfend in die Nischen. Aber der Saal schien tatsächlich menschenleer zu sein.
    Verwirrt blieb ich in der Mitte des Saales stehen. Ich wusste, dass die Regentin hier war, denn ich konnte ihre Blicke auf mir spüren. Auch den Thron spürte ich, obwohl ich ihn nur aus den Augenwinkeln wabern sah. Seine Kraft nagte an meinen Eingeweiden.
    Ich schluckte, wandte mich vom Thron ab und drehte mich der Tür zu, durch die ich eingetreten war …
    … und ein Lachen hallte durch den Saal, leise und kalt. Das Lachen eines Kindes. Hinter mir ächzte die Tür und fiel von selbst mit einem hohlen Pochen zu.
    Mein Mund wurde trocken. Meine Zunge fühlte sich wie Pergament an. Mein Atem beschleunigte sich, und irgendetwas Hartes, Heißes nistete sich in meiner Kehle ein.
    Wieder erklang das Lachen, näher diesmal, und ich wirbelte herum, kauerte mich instinktiv in eine leicht geduckte Haltung. Aus Gewohnheit, aus Notwendigkeit streckte ich mich nach dem Fluss, und der in der Luft lauernde Druck brandete gierig herbei, schwoll an. Die Welt verwandelte sich kurz in Grau und das Gebrüll von Wind, ehe ich mich schaudernd und jäh zurückzog. Ich schlang das Feuer enger um mich und schleuderte einen finsteren Blick der Wut in den Raum, richtete mich auf und suchte den Saal erneut ab.
    Das Gelächter war aus der Halle gekommen. Jemand war hier.
    Ich erstarrte, als eine andere Stimme den Saal mit leisem Gesang erfüllte.
    »… über das Wasser, übers Meer,
    kommt ein loderndes Feuer daher.
    Weiß wie Schaum, sengend wie ein Stich,
    kommt es, um zu prüfen dich.«
    Die Frauenstimme verstummte mit einem Kichern. Das Geräusch hallte kehlig und tief durch den Saal, ganz anders als das Kinderlachen kurz davor.
    »Das Feuer kam über mich, Varis«, sagte die kehlige Stimme.
    Meine Haut kribbelte, und meine Nackenhaare richteten sich beim Klang meines Namens auf. Ich schmeckte meine Angst wie ein altes, muffiges Tuch. »Oh ja, es kam. Und es hat mich zerstört.« Ein weiteres Lachen; diesmal klang es bitter und erstickt, ehe es im Nichts verhallte.
    Ich verharrte, lauschte auf einen Atemzug. Auf ein Rascheln von Stoff. Auf den Schritt eines Fußes. Aber da war nichts, nur der seltsame Widerhall der Stimme, die zugleich von überall und nirgends zu kommen schien.
    Ich drehte mich um. Jemand beobachtete mich, wog mich ab, und ich kämpfte dagegen an, unter den Fluss zu tauchen, wie ich es am Siel getan hätte, weil ich spürte, dass mich auch der Thron beobachtete, mich geduldig umkreiste.
    »Was ist denn, Varis?«, fragte die Frauenstimme höhnisch. »Kannst du mich nicht sehen? Kannst du mich nicht finden?«
    Zornig biss ich die Kiefer aufeinander und packte den Dolchgriff fester.
    Ein neuerliches Kichern, wieder leise und kehlig und jäh abgeschnitten, als die Frau scharf hervorstieß: »Vielleicht verwendest du nicht die richtige Sicht!«
    Ich hielt in meiner langsamen, vorsichtigen Drehung inne, und die Stimme lachte abermals. Diesmal jedoch verebbte der Laut in einem erstickten Schluchzen.
    Genug , dachte ich.
    Aufrecht stehend wählte ich willkürlich eine Stelle zwischenzwei Säulen auf einer Seite des Saales und starrte entschlossen darauf. Mein Atem ging flach und schnell.
    Dann verstummte das Schluchzen, und die Atmosphäre im Saal schlug von streitlustig in neugierig um. Ich spürte den Wechsel wie einen Windzug am Rücken und schauderte.
    »Du willst nicht spielen, wie?« Eine andere Stimme, gealtert wie die einer Greisin, aber trotzdem kräftig. »Das werden wir noch sehen!«
    Erschrocken zuckte ich zusammen. Meine Hand hob den Dolch zur Verteidigung. Die letzten Worte waren in nächster Nähe erklungen, als stünde die alte Frau unmittelbar neben mir. Doch ehe ich Luft holen konnte, erspähte ich eine Bewegung am Fuß einer der Säulen und hörte das Rascheln von Stoff.
    Eine Frau richtete sich aus gekrümmter Haltung auf. Die Falten ihres Kleids fielen an ihren Seiten herab. Sie trug Weiß, während ihr langes Haar schwarz wie Pech war. Das schlichte Kleid

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