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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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und so wusste sie von mir: Sie wusste, dass ich hier war. Der Fluss hatte mich in keiner Weise vor ihr verborgen. Ebenso wenig das Feuer.
    Angst kroch mir über die Schultern, spannte meine Muskeln, ließ sie zucken. Meine Hand umklammerte den Griff des Dolches fester, dann lockerte sie sich.
    Warum waren keine Wachen da, um die Regentin zu beschützen? Warum hatte mich Baill nicht mit einem Gefolge von zwanzig Gardisten vor den Gemächern der Regentin erwartet, wenn sie doch gewusst hatte, dass ich kommen würde?
    Argwohn überkam mich, und ich blickte den verwaisten Gang hinunter. Jemand hätte hier sein müssen . Es sei denn …
    Stirnrunzelnd drehte ich mich wieder zur eisenbeschlagenen Tür um.
    Es sei denn, die Regentin wollte , dass ich käme.
    Ich musste daran denken, wie mühelos ich mich durch denPalast bewegt hatte und dass keine Wachen auf Posten waren und daran, wie Baill sie vom Eingang zum Audienzsaal abgezogen hatte. Zu dem Zeitpunkt hatte ich es für pures Glück gehalten oder dass Avrell irgendwie dafür gesorgt hatte, aber jetzt …
    Was, wenn die Regentin selbst es veranlasst hatte? Was, wenn sie Baill irgendwie in die Irre geführt hatte?
    Ich schauderte, riss mich zusammen und straffte die Schultern. Es spielte keine Rolle. Ich hatte eingewilligt, die Regentin zu töten, um Amenkor zu retten. Wenn ich ihr nahe genug kam, konnte ich es vielleicht immer noch schaffen, ob sie nun wusste, dass ich kam, oder nicht.
    Ich griff nach dem schmiedeeisernen Ziergriff einer der Türen und zog sie auf. Das Holz ächzte. In dem leeren Gang hörte das Geräusch sich überlaut an, dennoch zuckte ich nicht zusammen, huschte nicht in den nächsten Schatten. Stattdessen betrat ich den Thronsaal und zog das immer noch tief in mir lauernde Feuer zu einem Schutzwall um mich zusammen.
    Die Kraft, die vom Thron ausging, sich im Saal wand und krümmte und mir ein Kribbeln im Nacken verursachte, überfiel mich schlagartig, doch diesmal hatte ich sie erwartet. Mit erstickendem Gewicht drückte sie mich nieder, versuchte, mich unter den Fluss zu zwingen. Einen Augenblick lang wäre es ihr beinahe gelungen – das Feuer, das ich als meinen Schild erweckt hatte, flackerte, als würde es mit Unmengen Wasser übergossen. Ich stöhnte unter dem Ansturm und hob die Hände, um dem gewaltigen Druck entgegenzuwirken, obwohl es nichts Körperliches gab, gegen das ich hätte ankämpfen können. Das Feuer hielt stand, wurde stärker, während der Druck nachließ und zurückwich.
    Doch er verschwand nicht völlig. Ich konnte fühlen, wie er den Raum ausfüllte, ihn sättigte. Ich schmeckte ihn mit jedem Atemzug, spürte, wie er auf meiner Haut kribbelte, voller Gier und Angrifflust. Er jagte mir Funken wie Blitze insFleisch. Ich schauderte, versuchte, diese Empfindung beiseitezudrängen.
    Plötzlich fiel mir ein, dass ich diese Kraft, diese Macht , schon einmal wahrgenommen hatte, vor drei Wochen, als ich mit Borund durch den Gang unter dem Palast gekommen war, um Avrell das erste Mal zu treffen. Ich erinnerte mich daran, das Rascheln von Laub auf Stein gehört zu haben. Damals hatte die Macht sich zurückgezogen, aber jetzt wollte sie mich …
    Der Gedanke bewirkte, dass sich mir die Nackenhaare sträubten, und weckte jeden Instinkt für Gefahr, den ich am Siel entwickelt hatte.
    Ich konnte die Macht wie das Knurren eines wilden Hundes im Thronsaal spüren, doch ich zwang mich, zu atmen und den Blick durch den Saal schweifen zu lassen.
    Acht dicke Granitsäulen ragten zur gewölbten Decke empor, vier auf jeder Seite. Sie ruhten oberhalb dreier Granitstufen und säumten den breiten, gekachelten Weg, der wie zuvor von der Tür zum Thron führte. Diesmal jedoch waren alle Ölschalen in der Halle angezündet worden, und den Thron umstanden helle Kerzenhalter. Als ich zuvor durch den Raum gegangen war, hatten nur ein paar Kerzen gebrannt. Über dem Geisterthron hing sein Symbol in Weiß und Gold. Die Falten des Banners, das mir früher in der Dunkelheit nicht aufgefallen war, warfen scharfkantige Schatten im Licht. Ich vermied es, den Thron selbst anzuschauen, dessen Gestalt sich ständig veränderte. Ich spürte bereits die fiebrige Hitze auf der Haut, die ich zuvor schon beim Betreten des Saals empfunden hatte. Die Türen auf beiden Seiten waren geschlossen. Durch eine dieser Türen war ich vorher in den Thronsaal gelangt.
    Der Saal schien völlig verlassen zu sein.
    Unsicherheit überkam mich. Ich fühlte mich mit einem Mal gejagt, als

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