Die Assistentin
die spitz zulaufenden roten Pumps. Die Kleidung wirkte wie die Grundausstattung einer Hostess, die in Cocktailbars und Casinos arbeitete. Ihre langen dunkelblonden Locken wirkten wie frisch aus dem Lockenstab. In ihrem Gesicht waren ein paar feine Falten zu erkennen, die auf ihr Alter von über vierzig Jahren deuteten, doch davon abgesehen sah sie fast genauso aus wie früher. Eine hübsche, anscheinend naive Frau, auf die Männer nur allzu leicht hereinfielen. Anscheinend war das Schlüsselwort.
“Es tut mir leid”, wiederholte Sandra. “Habe ich einen schlechten Zeitpunkt erwischt?”
Lane wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie fragte sich, warum Sandra nicht vorher angerufen hatte. Vielleicht hatte sie geglaubt, sie sei nicht willkommen, womit sie gar nicht mal so falsch lag. Nachdem Sandra ihre Einladungen immer wieder ausgeschlagen hatte, hatte Lane vor mehreren Jahren beschlossen, dass sie sich nicht weiter um eine Schwester bemühen würde, die ganz eindeutig nicht an ihrem Leben teilhaben wollte. Seitdem hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen und nie wieder etwas voneinander gehört.
Es gab noch einen weiteren Grund für die Entfremdung. Lane hatte damals gerade ihre ersten prominenten Kunden gewonnen, und es sah so aus, als würde ihr Concierge-Service ein größerer Erfolg werden, als sie sich jemals erträumt hätte. Umso wichtiger war es, dass sie einen sauberen Lebenslauf hatte. Eine Vorstrafe oder eine Schwester, die zusammen mit ihrem Freund einen exklusiven Herrenclub geführt hatte, machten da keinen guten Eindruck. Sandra schien ohnehin keinen Wert auf ihre Beziehung zu legen, und Lane war insgeheim ganz froh darüber.
“Val und ich waren sowieso gerade fertig”, erklärte Lane und trat einen Schritt zurück, um ihre Schwester ins Büro zu bitten. Sandra rührte sich nicht. “Stimmt etwas nicht?”, fragte Lane.
“Mein Reißverschluss ist kaputt. Die Dame am Empfang hat mich in dein Büro und dein Badezimmer gelassen. Natürlich habe ich ihr gesagt, dass ich deine Schwester bin und dass das schon in Ordnung sei. Aber ich konnte den Reißverschluss nicht reparieren, und dann tauchte dieser Gentleman auf …”, sie deutete auf Val, “… und ich beschloss, im Badezimmer zu bleiben. Sorry, es ist mir wirklich unangenehm.”
Wenn sie nicht gerade äußerst heikle Themen mit Val besprochen hätte, wäre die Sache fast zum Lachen gewesen. Warum hatte Sandra sich nicht zumindest bemerkbar gemacht? Lane wollte diesen Punkt jedoch nicht ansprechen, solange Val noch hier war. Ihrer Schwester war die Angelegenheit eindeutig peinlich.
“Kann ich dir mit dem Reißverschluss helfen?”, fragte Lane. “Brauchst du vielleicht ein paar Sicherheitsnadeln?”
“Das wäre klasse! Danke.”
Während Lane zum Schreibtisch ging, um die Sicherheitsnadeln zu holen, machte Val sich mit Sandra bekannt. Sie tauschten ein paar Belanglosigkeiten über das milde Herbstwetter aus. Dann verabschiedete Val sich mit einem Hinweis auf die Verpflichtungen, die auf ihn warteten, und versprach, später noch einmal bei Lane vorbeizuschauen.
Lane war nicht gerade glücklich über den Überraschungsbesuch ihrer Schwester, aber zumindest konnte Val auf diese Weise nicht stundenlang auf Darwin herumhacken, wie er es üblicherweise tat. Er war stets bereit, Darwin für alle Probleme in der Agentur verantwortlich zu machen. Und obwohl er diesmal einige ernstzunehmende Bedenken geäußert hatte, drängte er Lane ständig in die Rolle der Schiedsrichterin.
Sie seufzte, nahm eine Handvoll Sicherheitsnadeln aus der Schreibtischschublade und kehrte zum Badezimmer zurück. Sie würde noch einmal mit Darwin reden müssen.
“Warst du in letzter Zeit mal in Shadow Hills?” Sie reichte Sandra die Sicherheitsnadeln, schaltete das Licht ein und überließ es ihrer Schwester, mit dem kaputten Reißverschluss fertig zu werden. Damals, in der Hunting Lodge, hatte Sandra sich um die Hostessen gekümmert, die dort arbeiteten. Schnelle Rettungsaktionen für diverse Kleidungsstücke waren da an der Tagesordnung gewesen. Lane erinnerte sich an die wohlhabenden und privilegierten Männer, die die luxuriöse Anlage in Shadow Hills regelmäßig aufgesucht hatten. Und an den Medienrummel, als die Wahrheit über diesen Ort bekannt wurde.
“Nein. Nach Hanks Tod haben die Eigentümer die Hunting Lodge geschlossen. Aber das war vielleicht auch gar nicht so schlecht. Es lief sowieso nicht mehr richtig. Seitdem verfällt das
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