Die Assistentin
Gelegenheit, ihr von Neds Hintergrund zu erzählen, von seiner toten Mutter und Schwester oder von seiner fixen Idee, die Frauen, die ihm nahestanden, retten zu müssen. “Okay. Gehen wir also einen Moment davon aus, dass man Ned überwältigt und gezwungen hat, bei der Folterung seiner Freundin zuzusehen, um ihn anschließend
so
umzubringen, dass es wie Selbstmord aussieht. Warum gibt es dann absolut keine Spuren eines Kampfes – weder an seiner Kleidung noch seinem Körper? Keine Reste von Klebeband, keine Fasern eines Seils?”
“Man kann Menschen auch ohne Seile fesseln, Mimi. Mit Frischhaltefolie zum Beispiel, das ist …”
Sie unterbrach ihn erneut, inzwischen ziemlich verärgert. “Wenn Frischhaltefolie im Spiel war, dann stammte sie aus der Pornokiste von Ned Talbert. Ich kann und werde dir keine Einzelheiten nennen, Bayless, aber dein Kumpel hatte eine ganze Truhe voll mit Dildos und Knebeln in seinem Haus. Er besaß genug Sexspielzeug, um einen eigenen Laden aufzumachen.”
Das laute Klicken in seinem Ohr war das heruntersausende Fallbeil. Mimi hatte aufgelegt. Offensichtlich ging sie davon aus, dass er ins Blaue hinein spekuliert hatte und nicht wusste, wie Holly gestorben war. Aber Cooper hatte ihm verraten, dass sie durch allmähliches Ersticken zu Tode gefoltert worden war. Er hätte es Rick eigentlich nicht erzählen dürfen, aber er hatte es nun einmal getan. Die Truhe mit dem Sexspielzeug, die Mimi erwähnt hatte, bedeutete gar nichts. Es sei denn, man legte es darauf an, die bestehende Theorie zu untermauern, um den Fall so rasch wie möglich abzuschließen. Wer immer Ned und Holly umgebracht hatte, hatte das Sexspielzeug vermutlich mitgebracht.
Rick kniff die Augen zusammen, rieb sich über die Stirn und versuchte, seine Gedanken zu sortieren. Diese verdammten Tabletten benebelten seinen Verstand. Zumindest hatte er ein paar Samen gesät. So wie er Mimi kannte, würde ihr Gewissen ihr keine Ruhe lassen, egal, ob der Fall abgeschlossen war oder nicht. Sie war eine verdammt gute Ermittlerin, und der Tod von Ned und Holly würde sie noch weiter verfolgen. Nicht so, wie er Rick verfolgte, aber sie würde abends nicht mehr so schnell einschlafen können.
Burton Carrs sechzehnjähriger Sohn öffnete die Tür. Verlegen schaute er auf seine Füße und versuchte verzweifelt, jeden Augenkontakt mit seinem Vater zu vermeiden. Burton konnte es kaum ertragen, dass sein Sohn sich so unbehaglich fühlte. Er beugte sich vor und spähte an der schlaksigen Gestalt von Burton junior vorbei ins Haus seiner Schwägerin. Burtons Frau und der Rest der Familie mussten sich irgendwo verstecken.
“Außer mir ist niemand hier”, sagte Burt junior und blinzelte wie ein Hirtenhund, als ihm eine dicke rotbraune Haarsträhne ins Gesicht fiel.
Burton stieß mit dem Fuß gegen einen Tontopf auf der Veranda. Das Geräusch wirkte auf seine überstrapazierten Nerven wie ein dröhnendes Schlagzeugsolo. Seine Schwägerin lebte mit ihrer Familie in einem altmodischen Haus mitten im San Fernando Valley. Sie hielt sich für eine großartige Gärtnerin und hatte überall blühende Blumen gepflanzt und Windspiele aufgehängt. Burton hasste Windspiele. Das ständige Geklimper tat ihm in den Ohren weh.
“Burton, ich bin’s, dein Dad. Sieh mich an. Wie geht es Beth? Und Andy, wie geht es ihm?” Andy war der Jüngste, gerade neun Jahre alt, und Burton machte sich große Sorgen, wie er mit der ganzen Unruhe in seinem Leben fertig wurde.
“Den beiden geht es gut. Sie sind mit Tante Gloria einkaufen.”
“Wo ist deine Mom?”
Sein Sohn musterte ihn durch die glänzenden Haarsträhnen. “Sie schläft.”
Burtons Herz raste. Seine Frau war da drin. Das bedeutete, dass er eine Chance hatte. Er hatte immer eine Chance, wenn er die Menschen ansehen und mit ihnen sprechen konnte, besonders bei ihr. Sie kannte ihn besser als irgendjemand, und in ihren gemeinsamen Jahren hatte sie ihm schon so viel vergeben. Inzwischen sollte sie ihn gut genug kennen, um nicht alles zu glauben, was seine Gegner über ihn verbreiteten. Auch wenn er noch nie zuvor solch abscheulicher Verbrechen bezichtigt worden war.
Irgendjemand hatte ihn verleumdet.
“Lass mich rein, Burt”, sagte er zu seinem Sohn. “Deine Mutter und ich müssen reden. Das weißt du.”
Sein Sohn richtete sich zu seiner vollen Größe von mehr als einen Meter achtzig auf und versuchte, seinen eigenen Vater einzuschüchtern. Bei diesem Anblick bekam Burton weiche Knie.
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