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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Plötzlich ging ein jähes Zerren und Zucken durch seinen Rumpf. Flammen zerrissen das Dunkel. Im Donner der Bremsmotoren sauste die Rakete dicht über den Boden dahin. Magnesiumfackeln, die bündelweise nach allen Seiten flogen, beleuchteten unendliche Dünenreihen, die in dem flackernden, flimmernden Licht wie Meereswellen zu wogen schienen. Die Bodenluken öffneten sich. Zwei Reihen breit auseinanderstehender Raupenbänder durchschnitten pfeifend die Luft. Noch einmal dröhnten die Bugdüsen, dann fuhr ein leises, aber deutlich wahrnehmbares Zittern durch den Rumpf. Das vordere Raupenpaar hatte den Rand einer Düne gestreift. Ein mächtiger Stoß ... und die Rakete rollte mit durchdringendem Klirren und Rasseln über den Boden. Immer schwerer legte sie sich auf das Fahrgestell. Sand peitschte den Panzer und überschüttete ihn mit dumpfem Rauschen. Der Boden unter unseren Füßen bebte und schnellte bei jeder Unebenheit des Geländes in die Höhe, als wollte sich die Rakete erneut in die Luft erheben. Aber diese Bewegungen gingenbald in ein sanftes Schaukeln über. Der »Kosmokrator« neigte sich ein letztes Mal nach unten, richtete sich wieder auf und stand. In der Stille war nur noch das Zischen der komprimierten Luft zu hören, die die Zylinder der Amortisatoren füllte.
    Nach einer knappen halben Stunde schoben sich die Bodenklappen zur Seite. Über eine hinabgelassene schräge Rampe ratterte ein Gefährt auf Raupenbändern. Ich saß am Steuer, neben mir Arsenjew, der den Strahlungsmesser griffbereit neben sich hatte. Soltyk und Rainer standen hinter uns, auf die Arme einer senkrechten Säule – des Strahlenwerfers – gestützt. Sie konnten die Gegend durch die oberen Scheiben beobachten, ohne dabei die an den Wänden angebrachten Instrumente aus den Augen zu verlieren.
    Langsam arbeitete sich das kleine Fahrzeug aus dem tiefen Graben heraus, den der »Kosmokrator« in die losen Sandschichten gepflügt hatte. Im Licht der Scheinwerfer enthüllte sich eine düstere, eintönige Landschaft, flach, soweit das Auge reichte, und von niedrigen Wellen gelbbraunen, feinkörnigen Sandes durchzogen. Hier und da trotzte noch ein glattgeschliffener größerer Gesteinsbrocken der Verwitterung. Wir hatten den Wind von hinten. Wirbelnd trieb er den leichten Sand der Dünen vor sich her und jagte ihn in dicken Staubwolken gegen die Blechwände unseres Gefährtes. Vereinzelt ragten inmitten kleinerer Bruchstücke schartige Kalkfelsen auf. Obwohl sie im Lichte unserer Reflektoren lagen, warfen sie lange, flache Schatten, die entgegengesetzt zu unserer Fahrtrichtung verliefen.
    Nach einiger Zeit kamen wir im spitzen Winkel an einen niedrigen Damm heran. Die dem Wind zugekehrte Böschung war hart, wie festgestampft. Als wir hinauffuhren, sahen wir, daß die Dammkrone nach innen gewölbt war und eine flache Rinne bildete. Es schien eine Art Straße zu sein; jedenfalls konnten wir auf den kleinen, zerbröckelten, mit trockenem, dunklem Ton vermengten Steinen, die den Boden bedeckten, viel schneller fahren als im Sand.
    Der Lichtschein nahm bereits den halben Himmel ein. Silbrig, bis an die Wolken reichend, stand er genau über uns.
    Der Damm wurde immer niedriger, bis er schließlich die gleiche Höhe wie der Boden hatte. Nach zehn Minutenschneller Fahrt – dann tauchte am Horizont, vom Boden her erleuchtet, ein weißlicher Streifen auf. Als wir den Kamm einer der letzten Dünen erreichten, öffnete sich uns der Blick in die Tiefe. Ein Meer von fremdartigen Gebilden, die uns anmuteten wie die Zeichen einer unbekannten Schrift, breitete sich aus, soweit das Auge reichte: sternförmige, vielgliedrige Rümpfe, Torsos, stalagmitenähnliche Türme, Rotunden mit eingesunkenen, schiefen Wänden, terrassenartige Bastionen, im Hintergrund zerfließende, verschwommene Silhouetten ... hoch darüber schwangen sich die gewölbten Bogen weißer Viadukte zu einem strahlenförmigen Netz gewaltiger Überführungen zusammen – und das alles war von einem bläulichen Lichtschein überstrahlt, der als riesige Sichel den Horizont umschloß.
    »Die Stadt ...« flüsterte ich, und meine Hand drosselte unwillkürlich den Motor. Über dem Abhang der Düne blieb der Wagen stehen. Die Sandwellen hinter dem Strahlenbereich der Scheinwerfer waren jetzt ebenfalls von dem gespenstischen Halblicht erhellt.
    Ich blickte auf den Astronomen. »Fahren wir weiter?«
    »Natürlich, dazu sind wir ja von der Erde hierhergekommen«, antwortete Arsenjew. Ich lockerte

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