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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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– Tief im Innern des Planeten fließt eine trübe, schleimige Gallerte, unterhöhltKontinente, dringt an die Oberfläche, durchbohrt Berge. Der ganze Planet ist ihr Bett. Ein starres Netz von Kanälen und Rohren mit atmender, blinder Materie angefüllt, schafft Basen für Weltraumschiffe. Lebende Flüsse ... Lao Tsu beugte sich über den Tisch.
    »Damit wäre das Problem nicht gelöst. Meiner Meinung nach ist das Plasma nicht ›jemand‹ an sich, sondern dient ›jemandem‹. Mit anderen Worten, es ist eine Art ›Werkzeug‹, wie es für uns die Hefe oder die Penizillinpilze sind.«
    Es tat mir beinahe leid um das unheimlich-phantastische Bild, das die Annahme Oswatitschs in mir heraufbeschworen hatte.
    »Besteht nicht die Möglichkeit, daß es eine hohe Intelligenz besitzt?« begann ich. Doch der Chinese schüttelte den Kopf.
    »Nein, das Plasma kann keine Intelligenz besitzen; denn es ist auf ein enges Spezialgebiet beschränkt. Es vermag nur das eine: Elektrizität zu erzeugen.«
    »Vielleicht ist gerade dies ein Beweis für eine weit fortgeschrittene Entwicklung«, gab ich zu bedenken, »und die Intelligenz ...«
    »Das hat mit Intelligenz nichts zu tun«, erklärte der Chinese. »Halten Sie vielleicht die Sonne für intelligent, weil sie so sparsam mit der Atomenergie zu wirtschaften versteht? Intelligenz zeichnet sich nicht durch eine enge Spezialisierung aus, sie ist das genaue Gegenteil davon – eine universelle Vielseitigkeit.«
    »Ja aber, wo sind denn nun eigentlich die wirklichen Bewohner dieses Planeten?« rief ich. »Warum sind wir ihnen bis jetzt nicht begegnet? Wo verbergen sie sich?«
    »Ich befürchte ... nirgends«, sagte der Chinese. Er stand auf, hüllte sich in die bunte Seide seines Schlafrockes und hinkte langsam zur Tür. Als er die Kabine verlassen hatte, blieb ein unfaßbares Grauen zurück.

Die Stadt
    Der »Kosmokrator« beschrieb in einer Höhe von vierzig Kilometern große Kreise um die Venus. In der dünnen Atmosphäre bildete sich um die glühendheißen Auspuffgase kondensierter Dampf, der als riesiger Nebelring unbeweglich über den Wolken hing und als Regenbogen unter den Strahlen der tiefstehenden Sonne blinkte, wenn wir, ständig kreisend, auf unserer eigenen Spur zurückkehrten. Wir rasten bereits seit vielen Stunden um den Planeten. Ungefähr alle fünfundvierzig Minuten erschien die Sonne in den Leuchtschirmen, tauchte die Wände der Zentrale in blendendhelles Licht und verschwand wieder. Die Motoren sangen ihr leises, monotones Lied, und unter uns breitete sich die ungetrübte, schneeweiße Ebene der Wolken aus.
    Ich wechselte mich mit Soltyk am Steuer ab. In der dienstfreien Zeit begegnete ich einige Male Arsenjew. Er schritt mit finsterem Gesicht, die Hände auf dem Rücken, im Mittelgang der Rakete auf und ab. Einmal sprach ich ihn an; aber er antwortete nicht, sondern verschwand in der Kabine des Marax, über deren Tür wieder ununterbrochen das rote Schild leuchtete. Etwas später sah ich Rainer. Er brachte eine Filmkassette aus dem Laboratorium. Im Vorübergehen streifte er mich nur mit einem abwesenden Blick.
    Als ich nach einer Stunde wieder am Laboratorium vorüberkam, hörte ich Musik. Vorsichtig öffnete ich die Tür und trat ein. Aus dem Lautsprecher ertönten die majestätischen Klänge der Fünften Sinfonie von Beethoven. Regungslos wie eine Statue stand Chandrasekar neben dem Apparat. Ich rührte mich nicht, bis die Musik verstummt war. Der Mathematiker verharrte in seiner Haltung, den Kopf leicht erhoben, als lauschte er in die Stille, die uns umgab.
    »Professor ...«, sagte ich leise.
    Erst jetzt bemerkte er mich.
    »Bitte?«
    »Ich wollte ..., darf man fragen, an was Sie zur Zeit arbeiten?«
    »Er spielt mit uns wie die Katze mit der Maus«, murmelte Chandrasekar und ging an mir vorbei auf die Tür zu.
    »Wer denn, Arsenjew?« fragte ich noch.
    »Aber nein! Der Marax!«
    Mehr erfuhr ich nicht von ihm. Ich begab mich zurück in die Zentrale. Es war dunkle Nacht geworden, die Lämpchen an den Meßinstrumenten flimmerten und warfen ein unbestimmtes, schwaches Leuchten gegen die Wände. Im Hintergrund blitzten grell die Kontrollinstrumente des Marax, als wachte nur er allein in der riesigen Rakete, die in tiefen Schlaf versunken war. Diese Ruhe war aber nur eine scheinbare. Als ich wieder in den Korridor trat, hörte ich, wie die Wissenschaftler erregt über irgend etwas diskutierten. Ich unterschied den Bariton Arsenjews. Lao Tsu antwortete ihm mit

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