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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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als einigen Metern unmöglich. Die Intensität des Feldes wuchs in kleinen Sprüngen an, wurde aber dann wieder konstant. Der Physiker signalisierte uns, daß wir weitergehen könnten. Wir erstiegen die Felsrippe. Am Fuße ihrer höchsten Erhebung stand unter einem kleinen Segeltuchzelt der erste Apparat. Wir wechselten die Filme aus, was einige Minuten in Anspruch nahm, und setzten unseren Weg fort. Von der Erhebung aus konnte man einen großen Raum überblicken. Die Luft war außerordentlich klar und durchsichtig. Nur die fernsten Berggipfel waren in zarte Nebelschleier gehüllt. Plötzlich blieb ich stehen. Dort unten – die rissige Steinfläche mit den Felsnadeln, Sandhügeln und geborstenen Felsplatten war leer!
    »Oswatitsch, sieh nur!« rief ich. »Die weiße Kugel ist verschwunden.!«
    Oswatitsch schaute hinüber. »Zum Teufel, was ist das?«
    »Das ist doch ... warte mal«, sagte ich. »Ich erinnere mich genau, daß diese große Platte unter den drei Nadeln früher rechts von der Kugel war und der kleine Felskegel links vonihr, und nun liegt die Platte neben den Kegeln ... Nicht mal ein Zwischenraum ist mehr vorhanden ... Wo hat denn da eigentlich vorher die Kugel gelegen? Selbst wenn sie im Boden versunken wäre, so müßte doch eine Grube, ein Loch, ein leerer Platz dasein!«
    Wir starrten uns ratlos an. »Was nun?« fragte ich. Wir wandten uns nach dem Berghang um, wo sich die Zeit des Gravimeters, nicht größer als ein Streichholzköpfchen, von dem grauen Grund abhob. Ich versuchte, den Physiker durch das Radio anzurufen, hörte aber nur ein starkes Knattern. Daher schoß ich eine weiße und zwei Rauchraketen ab, was nach dem vereinbarten Schlüssel bedeutete: Können wir weitergehen? Geraume Zeit verstrich, ehe sich in der Ferne ein grüner Stern in der Luft erhob und, vom Wind über den See getrieben, langsam in die Tiefe sank. »Alles in Ordnung!« stellte Oswatitsch fest. Wir drehten uns um und stießen beide zugleich einen Ruf des Staunens und der Verwunderung aus. Als riesige, helle Kuppel, von einem breiten, leeren Streifen umgeben, ruhte die weiße Kugel genau wie vorher inmitten der Felsblöcke.
    »Das war irgendeine Fata Morgana«, sagte ich schließlich, glaubte aber selbst nicht recht an meine Worte. Dann begann ich hinabzusteigen. Wir folgten dem Kabel, mit dem sämtliche Oszillographen untereinander verbunden waren, und mußten dabei über große Haufen von Felstrümmern klettern. Bei jedem Apparat machten wir halt; ich nahm die belichtete Filmrolle heraus, und Oswatitsch legte eine neue aus dem Vorrat ein, den er im Rucksack trug.
    In einer knappen Stunde gingen wir neun Apparate ab. Der Weg zum zehnten führte über eine Bodenerhebung. Zur Linken schimmerte die weiße Kugel über die Kieselspitzen, zur Rechten war der Steinrücken muldenartig vertieft. In dieser Senke lagen Felsbrocken angehäuft. Es sah wie ein verlassener Steinbruch aus. Auf einmal blieb ich stehen. In einer Entfernung von vielleicht hundert Metern saß jemand auf einem großen Stein. Es war eine reglose, dunkle, untersetzte Gestalt. Oswatitsch hatte einen Vorsprung von etwa zwanzig Schritten. Ich rief ihn an. Er blickte hinunter und blieb ebenfalls stehen; ohne lange zu überlegen, kletterte ich hinunter und lief über die Steinhaufen auf die Gestalt zu. Als ich mich so weitgenähert hatte, daß ich sie genau erkennen konnte, mußte ich feststellen, daß es überhaupt kein lebendes Wesen war. Ein großes, langes, unregelmäßiges Felsstück lehnte an der Steinplatte. Die glasigen, bräunlichen Bruchflächen glänzten hell im auftreffenden Licht. Ich wunderte mich nun selbst, wieso mir dieser Felsbrocken als menschenähnliche Gestalt erscheinen konnte. Nur von oben gesehen, war er einem gebeugt dasitzenden Körper etwas ähnlich.
    »Es ist ein Lavablock!« rief ich. Oswatitsch schaute zu mir herunter. Er hatte mich sicher nicht verstanden; denn die Störungen waren erheblich stärker geworden. Ich gab ihm also mit der Hand ein Zeichen, daß ich mich getäuscht hätte. Er drehte sich um und ging weiter. Dicht in der Nähe lugte die Spitze des Zeltes, das den zehnten Oszillographen barg, über die kleine Steinpyramide.
    »Warte!« rief ich Oswatitsch nach und lief eilends den Abhang hinauf. Aber er wartete nicht auf mich, er ging weiter ... Plötzlich dehnte sich der ganze Raum vor mir, kroch gleichzeitig in sich zusammen, und es war, als erblickte ich ein Spiegelbild auf einer blanken Blechtafel, die jemand unerwartet

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