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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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eisernen Sprossen hinab. Nachdem die komprimierte Luft die giftige Venusatmosphäre aus der Schleuse gepreßt hatte, begab ich mich im Skaphander, ohne erst den Helm abzunehmen, zur Kabine des Marax. Ich blieb an der Tür stehen und sah zu, wie Chandrasekar die Filmrollen auf eine lange waagrechte Achse schob, die Enden jeder Rolle in einen Spalt des Pultes steckte und einige Schalter bediente. Die Filme wickelten sich rasch ab und verschwanden in der Tiefe des Apparates. Chandrasekar berührte mehrere Tasten. Die Leuchtschirme glimmten einer nach dem andern wie riesige, funkelnde Augen auf, rote und blaue Kontrollampenblinkten und strahlten bald ein so starkes Licht aus, daß es das grünliche Flimmern der Leuchtschirme überdeckte. Singendes Brausen erfüllte die Kabine. Über die Schirme zuckten grüne Blitze, immer wieder war das kurze Klicken von Kontakten zu hören. Die Zeiger der Meßinstrumente schlugen bis an die Überlastungsgrenze aus; aber der Mathematiker drückte noch immer neue Tasten herunter. Manchmal brummte laut, von einem Stromstoß getroffen, ein Transformator oder zischte hinter der Wand an den Schalterklemmen ein Lichtbogen. Eine Weile stand Chandrasekar regungslos mit gesenktem Kopf vor dem Marax und sah mit zusammengekniffenen Augen in die flackernden, sprühenden Lichter, dann trat er beiseite. Noch einmal überblickte er prüfend die Schirme, dann wandte er sich mir zu.
    »Nun muß der Marax zeigen, was er kann. Ist Ihnen klar, um was es geht? Die Gravitationsfelder entstehen durch die Überlagerung einzelner Stromimpulse. Bei Anwendung der Fournieranalyse müssen die Dutzende von Milliarden Schwingungen, die die Oszillographen auf den Filmen verzeichneten ...«
    Ich hatte genug. »Lassen Sie mich damit zufrieden!« rief ich. »Oswatitsch ist verschwunden.«
    Chandrasekar zuckte zusammen. »Was? Was ist geschehen?«
    Ich schilderte noch einmal den ganzen Verlauf. Während Chandrasekar zuhörte, beobachtete er unablässig die Leuchtschirme. Unwillkürlich folgte ich seinem Blick. Die Linien, die sich über die seitlichen Schirme schlängelten, verblaßten allmählich und verschmolzen mit dem phosphoreszierenden Hintergrund. Dafür trat auf dem mittleren Schirm immer deutlicher ein Lichtstreifen hervor.
    »Lao Tsu ist drüben?« fragte Chandrasekar, als ich geendet hatte. Plötzlich verstummte das Sausen des Stromes. Die Kontrollampen erloschen, die seitlichen Schirme wurden heller, und auf dem mittleren erstarrte eine steile, doppelgekrümmte Kurve. Chandrasekars Augen funkelten. »Also doch periodisch!« rief er. Dann huschte ein blasses, um Verzeihung bittendes Lächeln über seine Lippen.
    »Es muß Ihnen unmenschlich erscheinen, daß ich in dieser Situation ...«
    Er brach ab, schwankte, wich einen Schritt zurück und lehnte sich an die glänzende Seitenfläche des Pultes. Das Licht, das von oben herabfiel, beschien seine eingefallenen Schläfen und Wangen. Jetzt erst wurde mir bewußt, daß er in der letzten Zeit den Marax überhaupt nicht mehr verlassen hatte. Tag und Nacht leuchtete das rote Licht über der Kabinentür.
    »Das macht nichts!« sagte er. »Sie kehren zurück, wenn ... Er vollendete den Satz nicht. »Wo ist Arsenjew?«
    »Oben.«
    »Möchten Sie ihn, bitte, hierherrufen? Sagen Sie, es sei sehr wichtig.«
    Ich traf den Anstronomen auf dem Oberdeck an. Über das Gravimeter gebeugt, verfolgte er gespannt die Ausschläge des Zeigers. Neben ihm zerfloß die säulenstarke weiße Lichtgarbe des Reflektors im dichten Dunst.
    »Einstweilen wächst die Intensität nicht«, sagte Arsenjew leise, als hätte er mich nicht gehört. Ich wiederholte deshalb, daß ihn Chandrasekar bitte, hinunterzukommen. Plötzlich richtete er sich auf.
    »So, ist es schon soweit? Nun, was für eine?«
    Ich verstand nicht, wonach er mich eigentlich fragte. Dann erinnerte ich mich an den Ausruf des Mathematikers und antwortete auf gut Glück: »Eine periodische.«
    Ohne noch ein Wort zu verlieren, lief Arsenjew zur Schleuse.
    »Soll ich zum Ufer fahren?« fragte ich ihn. Er blieb stehen.
    »Nein! Dort können Sie nichts helfen! Behalten Sie, bitte, das Radargerät und den Reflektor im Auge. Die Leuchtpistole liegt dort an der Seite.« Er tauchte im Schleusenschacht unter.
    Der Talkessel war von heißem Dunst eingehüllt. Der Rumpf der Rakete hob sich schwarz wie der Leib eines toten Wales davon ab. Neben dem Scheinwerfer stand das tragbare Radargerät. Seine beiden elliptischen Antennen waren auf das

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