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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Kugel wieder aus den Augen. Sie mußte sich hinter den Kieselnadeln befinden. Einige dieser Nadeln erreichten eine Höhe von dreißig Metern. Ihre dicken, glatten Säulen ragten zwischen heimtückischen Felsstücken auf, die trotz ihrer Größe und Schwere wackelig waren und manchmal wie ungesicherte Falltüren unter den Schritten nachgaben. Der Reihe nach bezeichneten wir die Punkte, wo über den Rohren die Oszillographen aufgestellt werden sollten.
    Der Regen versiegte, und hier und da öffneten sich grüne Fenster zwischen den Wolken. Die Luft wurde immer klarer. Schließlich fegte der Wind die Nebelschwaden auch von der Oberfläche des Sees und ließ die Hänge des Talkessels hervortreten. Etwa einen Kilometer von der Bucht entfernt, zeichnete sich am gegenüberliegenden Ufer ein grünes Fleckchen von dem Grau der Felstrümmer ab; das Zelt des Beobachtungspunktes, von dem aus Lao Tsu die Fortschritte unserer Arbeit verfolgte. Nachdem wir die letzte Steinpyramide errichtet hatten – dort, wo das elfte Rohr unter einem Geröllfeldverlief –, kehrten wir zur Rakete zurück. Als nächste begaben sich Soltyk und Rainer an Land.
    Das Wetter besserte sich zusehends. Blendendweiße Wolken zogen über den Himmel, der im reinsten Grün erstrahlte. Immer wieder tauchte die Sonne zwischen ihnen auf, und dann schien es, als dehnte und streckte sich die ganze Landschaft wohlig unter ihrem Glanz. An den vergoldeten Felsen schimmerten wie blaue Bänder die Rinnen und Kamine. Das Licht war so stark, daß man die Felstrümmer am anderen Ufer des Sees mit freiem Auge zählen konnte.
    Durch das große Stativfernrohr beobachteten wir vom Rücken der Rakete aus, wie Soltyk und Rainer die Bucht erreichten, anlegten und zu der Bodenerhebung emporstiegen. Unterhalb der Felsrippe hielt Lao Tsu sie an und gab ihnen bekannt, da das Gravimeter erneute Schwankungen der Feldstärke anzeigte. Im gleichen Augenblick begann es über dem Ufer wie gebogenes Glas zu flimmern. Flache Regenbogen hingen in der Luft und schwammen auf dem Wasser. Die Umrisse der fernen Felsen zitterten wie eine lichtumsäumte, flackernde Flamme. Nach einiger Zeit beruhigte sich alles, und die Gefährten konnten mit ihrer Arbeit anfangen. Erst der eine, dann der andere, kamen sie zum Ufer und erklommen, mit einem der schweren Oszillographen bepackt, wieder die steile Uferböschung, um im Labyrinth der zersplitterten Felsen zu verschwinden. Nach vier Stunden übernahm Rainer den Beobachtungsposten, und Lao Tsu und Tarland begaben sich ins Gelände. Soltyk, der mit dem Motorboot zur Rakete zurückkehrte, berichtete, daß das starke Dröhnen der Ströme in der Nähe der weißen Kugel die Radioverbindung störe. Daraufhin wurden diejenigen, die an Land arbeiteten, mit Leuchtpistolen ausgerüstet, um sich jederzeit mit dem Beobachter am Gravimeter verständigen zu können, falls das Radio versagte.
    Um sechs Uhr nachmittags waren alle Meßgeräte aufgestellt und bildeten nun rund um die weiße Kugel einen Ring von nahezu anderthalb Kilometer Umfang. Man mußte die Geräte alle zwei Stunden abgehen, die mit den Aufzeichnungen belichteten Filme herausnehmen und durch frische ersetzten. Um acht holten Oswatitsch und ich die ersten Filmrollen an Bord. Dann fuhren Rainer und Soltyk zur Bucht. Auch sie erledigtenihre Aufgabe reibungslos und brachten die zweite Filmserie zum »Kosmokrator«. Arsenjew hielt sich, wenn er nicht mit Chandrasekar beim Marax war, am Oberdeck der Rakete auf und überwachte dort die Angaben des Hauptgravimeters.
    Die zehnte Stunde der Erdennacht brach an. Durch einen Vorhang zarter Federwölkchen blinzelte die Sonne, und das Wasser des Sees war so unbewegt und still, daß man im Innern der Rakete auch nicht das geringste Schwanken spürte. Als die Reihe wieder an mich und Oswatitsch kam, hing zwischen den Spitzen der Kieselnadeln, oberhalb der weißen Kugel, die vom See aus unsichtbar war, eine flatternde, trübe Dunstwolke wie eine im Entstehen begriffene Trombe. Lao Tsu, der sich um diese Zeit auf dem Beobachtungsposten befand, warnte uns – wir waren bereits gelandet – durch ein Signal von drei roten und einer Rauchrakete. Es hatte den Anschein, als erwachte die Kugel zu erneuter Tätigkeit. Vom See her kamen immer heftigere Windstöße, und die Temperatur der Uferfelsen erhöhte sich innerhalb weniger Minuten um zwanzig Grad. Gleichzeitig machte das Dröhnen der unterirdischen Ströme jede Verständigung durch das Radio auf Entfernungen von mehr

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