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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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umbog. Dann flimmerte und wogte alles vor meinen Augen und kehrte in seinen früheren Zustand zurück. Ich stand wie versteinert. Oswatitsch war verschwunden. Vor Sekunden noch hatte ich seine Schultern, seinen Helm gesehen. Er war gerade auf eine große, silbrig glänzende Steinplatte getreten, war noch ein oder zwei Schritte weitergegangen und – verschwunden, als hätte er sich in Luft aufgelöst. Ich faßte mich und lief, so rasch ich konnte, auf die Steinplatte zu. »Oswatitsch!« rief ich. »Oswatitsch!«
    Es kam keine Antwort.
    Ich kletterte über die Felstrümmer und bemühte mich, die silbrige Steinplatte nicht aus den Augen zu verlieren. Endlich hatte ich sie erreicht. Die Oberfläche der breiten, nach meiner Seite hin geneigten Tafel war wie mit Reif bedeckt; deshalb blinkte sie so. Es waren lauter kleine, funkelnde Kristalle. An einer Stelle entdeckte ich einen langen, weißlichen Riß. Der Stein war ziemlich weich. Ein Schuhnagel hatte diese Spur hinterlassen. Ich dachte zuerst, daß Oswatitsch auf die andere Seite hinübergesprungen sei. Drüben befand sich eine helle Nische, die von zwei aneinanderlehnenden Felsbrocken gebildetwurde. Ihr Boden war mit feinem Kies bedeckt. Auch einige pechschwarze Steine von der Größe eines Brotes lagen darin. »Oswatitsch!« rief ich verhalten.
    Ich hatte ihn doch noch vor einer Minute gesehen, als er hier auf dieser Platte stand. Geradeaus war er nicht weitergegangen; aber er konnte sich auch nicht in der Nische verbergen. Der Weg führte auf einen hohen Felsen, ich hätte den Gefährten also auf jeden Fall sehen müssen. Nicht für eine Sekunde hatte ich diese Stelle aus den Augen gelassen. Und trotzdem war er nicht da. Ratlos blickte ich mich um. Wo sollte ich ihn suchen? Ich lief zwischen den Felstrümmern umher, rief seinen Namen. Doch nur das Knarren elektrischer Entladungen antwortete mir.
    Ich kehrte auf den Gipfel der Bodenerhebung zurück, um von dort aus eine Rakete abzuschießen. Als ich die Leuchtpistole hob, bemerkte ich, daß auch die weiße Kugel wieder verschwunden war – genau wie vor einer Stunde. Die Öffnung der tiefen Schlucht zwischen den Hängen war bisher nicht zu sehen gewesen; die weiße Kugel hatte sie verdeckt. Mir war zumute wie einem Boxer, der sich nach einem schweren Kinnhaken von den Brettern erhebt. Ich wollte Oswatitsch zu Hilfe eilen, wollte die Gefahr packen, die ihn bedrohte; aber es war nichts vorhanden, weder Oswatitsch noch irgendeine sichtbare, erkennbare Gefahr. Zum Zeichen, daß sich ein Unglücksfall ereignet hatte, schoß ich eine rote Rakete ab. Dann setzte ich mich auf den Rand der silberglänzenden Felsplatte und beobachtete ungeduldig, wie zwei dunkle Punkte auftauchten, langsam den Geröllhang hinaufkrochen und sich allmählich näherten. Es waren zwei Gestalten in Skaphandern. Ich sah nun, wie sie hasteten, um heranzukommen. Wo es das Gelände nur zuließ, rannten sie. Endlich verschwanden sie hinter den Kieselnadeln. Nach vierzig Minuten qualvollen Wartens waren sie bei mir: Lao Tsu und Soltyk. Als sie hörten, was geschehen war, sprang Soltyk an den Rand der Felsplatte und rief, so laut er konnte: »Oswatitsch! Jan! Jan!«
    »Das hat keinen Zweck«, sagte ich. »Er ist nirgends hingegangen. Hier ist die Spur seines Schuhnagels.«
    Soltyk bückte sich und betrachtete den Felsen. Über die blitzende Oberfläche zog sich schräg eine weißliche Schramme. Sonst nichts.
    »Er ist hier fester aufgetreten«, erklärte ich, »und hat dabei den Stein geritzt. Anders kann es nicht sein.«
    »Wo ist er also hin?« Soltyk war aufs äußerste erregt. Ich zuckte die Schultern. Lao Tsu war ein wenig höher geklettert. Ohne den Feldstecher vom Fenster des Helmes zu nehmen, fragte er: »Wer von Ihnen trägt die belichteten Filme?«
    »Ich.«
    »Haben Sie sie im Rucksack?«
    »Ja.«
    »Haben Sie den Film im zehnten Gerät ausgewechselt?«
    »Nein. Oswatitsch wollte gerade dorthin, um ...«
    »Gut.«
    Der Physiker stieg von der Felsplatte herunter und ging auf das Zelt zu, das einige Dutzend Schritte tiefer unter dem Felsen grün hervorschimmerte. Soltyk lief inzwischen zu der Nische hinüber.
    »Um des Himmels willen!« murmelte er und drehte sich nach allen Seiten. »Was soll das bedeuten? Hier hat er also gestanden?« fragte er mich noch einmal.
    »Ja, dort.«
    »Kommen Sie!« sagte er. »Wir durchsuchen jetzt systematisch die ganze verfluchte Gegend!«
    Ich blickte zu ihm hinüber. Er hob gerade die runden, schwarzen Steine

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