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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Ufer gerichtet. Ich umfaßte mit beiden Händen den Steuerkreis. Im Schirm wurde der steinige Zipfel oberhalb der Bucht sichtbar, über den die Gefährten zurückkehren mußten. Er war öde und leer. Einige Rauchwolken, dunkler als der Nebel, zogen darüber hin. Ich blickte auf das Fotoelement, das unter dem Schirm eingesetzt war. Es zeigte die Temperatur derUferfelsen an: Zweihundertsechzig Grad. Meine Finger krampften sich um den metallenen Handgriff des Gerätes. Zweihundertsechzig Grad! Auch die Lufttemperatur war stark angestiegen. Sie erhitzte sich immer mehr: achtzig, fünfundachtzig, neunzig Grad ... Wie lange konnte das ein Mensch, selbst in einem isolierten Schutzanzug, aushalten?
    Die Minuten vergingen, und jede währte eine Ewigkeit. Das Zischen des Wassers, das bei der Berührung mit den glühendheißen Uferfelsen zu kochen begann, klang herüber. Ich drehte die Antenne von einer Seite zur anderen, wollte sie schon umstellen, als etwas im Gesichtsfeld aufflimmerte. Dort drüben ging ein Mensch!
    Ich schaltete die Alarmglocke ein und sprang wieder zum Radarschirm zurück. Der schwarze Fleck schob sich langsam durch die Felstrümmer, verschwand für eine Weile ... erschien wieder und zerfiel in zwei kleinere, aber eigenartig verzerrte Gestalten. Bald konnte ich es deutlich erkennen: Zwei Menschen trugen einen dritten. Sie bemühten sich, über die Steine, die aus dem Wasser hervorragten, zum Motorboot zu gelangen. Zwischen dem letzten Stein und dem Boot aber lag ein dunkler Streifen Wasser. Sie blieben stehen. Allem Anschein nach berieten sie sich. Wie bedauerte ich jetzt, daß ich nicht doch, entgegen dem Befehl des Astronomen, hinübergefahren war. Ich hätte ihnen helfen können. Ich rief, gab ihnen Ratschläge und wurde mir gar nicht bewußt. daß sie mich nicht zu hören vermochten. Plötzlich war der eine von ihnen kleiner geworden. Ich begriff: er bückte sich und versuchte das Motorboot an der Leine, mit der es am Ufer festgemacht war, heranzuziehen. Auf dem Radarschirm sah ich, daß dies unmöglich war; denn dicht unter der Wasseroberfläche lag ein Riff. Allein hätten sie mühelos den anderthalb Meter großen Abstand überspringen können, aber der dritte ... Schon wollte ich zum Fallreep laufen, da gab der eine, der an dem Seil gezogen hatte, die weiteren Versuche auf, wandte sich seinem Gefährten zu und machte ihm ein Zeichen. Beide hoben den regungslosen Körper auf und gingen, ihn hoch über ihren Köpfen tragend in das kochendheiße Wasser. Bis zu den Hüften wateten sie hindurch und waren für einige Augenblicke von Dampfschwaden verhüllt. Dann warfen sie den Gefährten in das Boot und kletterten selbst hinein. Wieder verstrichenendlose Sekunden; endlich quirlte das Wasser auf, und das Boot setzte sich in Bewegung.
    »Warum schreien Sie denn? Na, so hören Sie doch! Warum schreien Sie denn so ...?« sagte Arsenjew nach einer Weile zu mir. Hinter ihm standen – in Skaphandern – Tarland und Chandrasekar. Ich merkte gar nicht, daß ich lachte und vor Freude schrie, brüllte ... Und da legte das Motorboot am Fallreep an, und wir liefen alle drei hinunter.
    »Mich nicht – ich kann allein ...«, ächzte Soltyk, als ich ihm von der letzen Sprosse aus die Hand entgegenstreckte, um ihm zu helfen.
    »Ich kann allein ... schnell den Professor Lao ... sein Skaphander ist zerrissen ...«

Professor Lao Tsu
    Wir trugen den Professor und Oswatitsch in die Schleusenkammer. Nachdem ich das Motorboot an Bord gehievt hatte, stieg ich in den Korridor hinunter. Dort betteten Rainer und Tarland gerade die beiden hilflosen Körper in den Skaphandern, so wie wir sie aus dem Boot gehoben hatten, auf Tragbahren. Nur die Helme hatte man ihnen abgenommen. Ihr Gesicht war schweißüberströmt und bleich wie Wachs. Ich wollte helfen; doch Arsenjew befahl mir, in die Zentrale zu gehen. Er ordnete den sofortigen Start an.
    In der Erregung der letzten Minuten hatte ich überhaupt nicht mehr daran gedacht, was sich draußen über dem See abspielte. In den Fernsehschirmen wirbelten gelbliche Knäuel, wie der Rauch von brennendem Schwefel. Die Rakete hob und senkte sich auf den Wellen. Die ganze Gegend war zu einem finsteren Hexenkessel geworden, in dem es grollte, brummte, sauste, zischte und pfiff. – Als ich in die Zentrale trat, krachte der erste Donner in den Wolken.
    Ich schaltete die Atomsäule ein, und ohne zu warten, bis sie ihre volle Antriebskraft erreichte, stellte ich die Hebel des Prädiktors auf Start

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