Die Attentaeterin
Autopsie spricht eine ebenso deutliche Sprache: keine Schwangerschaft. Was aber hat dann den Bauch Ihrer Frau so aufgebläht? Was war unter ihrem Kleid, wenn nicht diese verfluchte Sprengladung, die siebzehn Menschen das Leben gekostet hat, Kinder, die weiter nichts als ihren Spaß haben wollten ?«
»Warten Sie doch die Kassette ab …«
»Es gibt keine Kassette. Mir persönlich sind diese Kassetten egal. Ich habe damit kein Problem. Mein Problem ist ein anderes. Und es macht mich ganz krank. Deshalb muss ich unbedingt herausfinden, wie eine Frau, die von ihrem Umfeld geschätzt wird, die schön ist und intelligent, modern und gut integriert, die von ihrem Mann auf Händen getragen wird, von ihren Freundinnen, mehrheitlich Jüdinnen, vergöttert, sich von heute auf morgen mit Sprengstoff voll packen und an einen öffentlichen Ort begeben konnte, um all das in Frage zu stellen, was der Staat Israel den Arabern, die er in seinem Schoß aufgenommen hat, an Vertrauensvorschuss entgegengebracht hat. Sind Sie sich des Ernstes der Lage überhaupt bewusst, Herr Doktor Jaafari? Wir haben schon mit Treuebruch gerechnet, aber doch nicht in dieser Art. Ich habe alles um Sie beide herum überprüft: Ihre Bekanntschaften, Ihre Gewohnheiten, Ihre kleinen Schwächen. Resultat: ich bin auf der ganzen Linie der Dumme. Ich, der ich Jude bin und Offizier des israelischen Geheimdienstes, komme nicht in den Genuss auch nur eines Drittels der Anerkennung, die Ihnen tagtäglich von dieser Stadt gezollt wird. Und das macht mich völlig fertig .«
»Versuchen Sie nicht, meinen körperlichen und seelischen Zustand auszunutzen, Herr Hauptmann. Meine Frau ist unschuldig. Sie hat absolut nichts mit den Fundamentalisten zu tun. Sie ist nie welchen begegnet, hat nie von ihnen geredet, hat nie von ihnen geträumt. Meine Frau ist in dieses Restaurant gegangen, um zu Mittag zu essen. Um zu essen. Nicht mehr und nicht weniger … Und jetzt lassen Sie mich in Ruhe. Ich kann nicht mehr .«
Woraufhin ich die Arme auf dem Tisch verschränke, meinen Kopf darauf lege und endgültig einschlafe.
Hauptmann Moshe kommt und geht … Am dritten Tag öffnet er die Tür des Rattenlochs und zeigt auf den Gang: »Sie sind frei, Herr Doktor. Sie können nach Hause gehen und Ihren Alltag wiederaufnehmen, sofern das jetzt noch möglich ist …«
Ich greife nach meiner Jacke und stolpere durch einen Gang, auf dem Offiziere mit hochgekrempelten Hemdsärmeln und gelockerter Krawatte mich wortlos mustern. Sie sehen aus wie ein Rudel Wölfe, dem die sicher geglaubte Beute entwischt. Ein sichtlich erregter Schalterbeamter händigt mir meine Uhr, meinen Schlüsselbund und meine Brieftasche aus, lässt mich den Empfang quittieren und knallt die Luke zwischen uns zu. Jemand bringt mich zum Ausgang. Das Tageslicht blendet mich, als ich vor die Tür trete. Es ist schönes Wetter. Eine riesige Sonne leuchtet über der Stadt. Der Verkehrslärm holt mich in die Welt der Lebenden zurück. Ich bleibe eine Weile oben auf dem Absatz stehen und betrachte das übliche Verkehrschaos, aus dem hier und da der Ton einer Hupe erklingt. Es sind nicht viele Menschen unterwegs. Das Viertel wirkt ungepflegt. Die Bäume am Rand der Straße wirken nicht gerade fröhlich, und die Tagediebe ringsum blicken so trist wie ihre Schatten.
Vor der untersten Stufe steht eine dicke Limousine mit laufendem Motor. Am Steuer sitzt Naveed Ronnen. Er steigt aus und wartet, den Ellenbogen auf der Wagentüre, bis ich bei ihm bin. Ich begreife sofort, dass er nicht ganz unbeteiligt an meiner Freilassung ist.
Er runzelt die Stirn, als ich vor ihm stehe, wegen meines geschwollenen Auges.
»Haben sie dich geschlagen ?«
»Ich bin gestürzt .«
Das überzeugt ihn nicht.
»So war es wirklich«, sage ich ihm.
Er belässt es dabei.
»Soll ich dich nach Hause bringen ?«
»Weiß nicht .«
»Du bist in einem jämmerlichen Zustand. Du musst unter die Dusche, dich umziehen, und du brauchst was zu essen .«
»Haben die Fundamentalisten die Kassette geschickt ?«
»Welche Kassette?«
»Die vom Attentat. Weiß man inzwischen, wer der Selbstmordattentäter war ?«
»Amin …«
Ich weiche aus, um seiner Hand zu entkommen. Ich ertrage es nicht mehr, wenn mich jemand berührt. Nicht einmal, um mich zu trösten.
Mein Blick hält den seinen fest und lässt ihn nicht mehr los.
»Wenn sie mich haben laufen lassen, dann doch, weil sie sich sicher sind, dass meine Frau nichts damit zu tun hat .«
»Ich bringe dich
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