Die Attentaeterin
aufgebrachten Meute. Zwei Vollbärte mit Zöpfen spucken mir ins Gesicht. Arme stoßen mich hin und her. »Sagt man so vielleicht danke bei euch, du Araberschwein? Beißt man die Hand, die einen aus der Scheiße zieht … ?« Schattenhafte Gestalten schneiden mir den Rückweg ab. Spucke klatscht mir ins Gesicht. Eine Hand packt mich am Kragen meines Morgenmantels … »Sieh nur, in was für einem Schloss du wohnst, du Hurensohn. Was braucht ihr denn noch mehr, um danke zu sagen … ?« Sie zerren von allen Seiten an mir. »Den müssen wir erst desinfizieren, bevor wir ihn auf den Scheiterhaufen werfen …« Ein Fußtritt trifft mich voll in den Bauch, ein anderer richtet mich wieder auf. Erst blutet meine Nase, dann meine Lippe. Meine Arme können mich nicht schützen. Ein Hagel von Schlägen prasselt auf mich ein, und der Boden unter meinen Füßen gibt nach …
Kim findet mich mitten auf dem Kiesweg liegend. Meine Angreifer haben mich bis in den Garten verfolgt und noch lange, nachdem sie mich zu Boden geworfen hatten, auf mich eingeschlagen. Beim Anblick ihrer geweiteten Pupillen und den schäumenden Mündern hatte ich geglaubt, sie würden mich lynchen.
Kein einziger Nachbar ist mir zu Hilfe gekommen, nicht eine nächstenliebende Seele hatte genügend Geistesgegenwart, die Polizei zu rufen.
»Ich fahre dich ins Krankenhaus«, sagt Kim.
»Nein, nicht ins Krankenhaus. Ich will da nicht mehr hin .«
»Ich glaube, du hast dir etwas gebrochen .«
»Lass es gut sein. Bitte!«
»Wie auch immer, du kannst ohnehin nicht hier bleiben.
Sie werden dich sonst noch töten .«
Kim gelingt es irgendwie, mich in mein Zimmer zu schleppen, sie zieht mich an, wirft ein paar Klamotten in meine Tasche und setzt mich in ihr Auto.
Die bezopften Bärtigen tauchen von irgendwoher auf, vermutlich alarmiert von einem Späher.
»Lass ihn krepieren !« , brüllt einer von ihnen Kim zu.
»Das ist ein Mistkerl …«
Kim fährt mit quietschenden Reifen los.
Wir durchqueren das Viertel wie ein Rennwagen ein Minenfeld.
Kim steuert auf direktem Weg eine Ambulanz in der Nähe von Yafo an. Die Röntgenaufnahme zeigt keinerlei Brüche, aber ein starkes Trauma im rechten Handgelenk und ein weiteres im Knie. Eine Schwester desinfiziert die Schürfwunden auf meinen Armen, tupft mir die aufgeplatzten Lippen ab, säubert meine geschundenen Nasenlöcher. Sie glaubt, dass es sich um einen Streit unter Säufern handelt, ihre Gesten sind voller Mitgefühl.
Ich hüpfe auf einem Bein aus dem Behandlungsraum, dazu mit einem unförmigen Verband um die Hand.
Kim bietet mir ihre Schulter an, ich ziehe es vor, mich an der Mauer abzustützen.
Sie nimmt mich mit zu sich nach Hause, nach Sederot Yerushalayim, in ein Loft, das sie damals kaufte, als sie ihr Leben mit Boris teilte. Hier war ich früher häufiger, um ein frohes Ereignis zu feiern oder einen netten Abend unter guten Freunden zu verbringen, zusammen mit Sihem. Die beiden Frauen verstanden sich gut, auch wenn die meine, von Natur aus eher zurückhaltend, stets auf Distanz blieb. Kim machte sich nichts daraus. Sie hat gern Besuch und feiert für ihr Leben gern. Und seit sie die Trennung von Boris überwunden hat, sogar doppelt so gern.
Wir nehmen den Aufzug. Ein altes Mütterchen fährt mit uns bis in den zweiten Stock. Auf dem Treppenabsatz im vierten Stock treffen wir auf einen wimmernden Welpen am Ende einer Leine, die in einer Tür hinten im Flur festklemmt. Das ist der Welpe der Nachbarin – sie wird ihn weggeben, sobald er erwachsen ist, um sich den nächsten Welpen zu suchen; das ist so eine Art Angewohnheit von ihr.
Kim kämpft mit dem Türschloss – wie immer, wenn sie nervös ist. In ihren Wangen bilden sich Grübchen, als sie ärgerlich das Gesicht verzieht. Der kleine Wutanfall steht ihr gut. Endlich findet sie den richtigen Schlüssel und tritt bei Seite, um mich hineinzulassen.
»Fühl dich ganz wie zu Hause«, sagt sie.
Sie hilft mir aus der Jacke, hängt sie in der Diele auf, dirigiert mich mit einer Kinnbewegung Richtung Wohnzimmer, wo sich seit ewigen Zeiten ein Korbstuhl und ein alter verschlissener Ledersessel gegenüberstehen. Ein großes surrealistisches Gemälde erstreckt sich über die halbe Wand. Es sieht aus wie das Gekritzel von psychisch labilen Kindern, die fasziniert sind von Blutrot und Kohlschwarz. Auf dem Beistelltischchen aus Schmiedeeisen, das Kim auf einem Trödelmarkt entdeckt hat, zu dem es sie jedes Wochenende hinzieht, liegt zwischen lauter
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