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Die Attentaeterin

Die Attentaeterin

Titel: Die Attentaeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Blitzbesuch, um uns guten Tag zu sagen. Da Leila bei unserer Tochter war, in En Kerem, wollte sie nicht einmal auf einen Tee bleiben und hat sich keine Viertelstunde später wieder verabschiedet. Sie war nicht unseretwegen in Bethlehem. An diesem Freitag wurde Scheich Marwan in der Großen Moschee erwartet. Deine Frau wollte, dass er sie segnete. Erst als wir ihr Foto in der Zeitung sahen, haben wir begriffen .«
    Er packt mich in Kämpfermanier bei den Schultern und vertraut mir an: »Wir sind sehr stolz auf sie .«
    Ich weiß, er sagt das, um mich zu schonen, oder vielleicht auch, um mich mild zu stimmen. Yasser ist nicht der Typ, der ruhig Blut bewahrt. Das geringste Ereignis bringt ihn bereits aus der Fassung.
    »Stolz, dass ihr sie dazu gebracht habt, sich für euch verheizen zu lassen?«
    »Verheizen …?« Er zuckt zusammen, als hätte ihn eine Schlange gebissen.
    »Für euch die Kohlen aus dem Feuer zu holen – und nebenbei selbst im Feuer zu verbrennen, wenn dir das lieber ist …«
    »Ich mag die Art nicht, wie du redest .«
    »Einverstanden. Ich formuliere meine Frage neu: Was kann einen daran mit Stolz erfüllen, dass man Menschen in den Tod schickt, damit andere frei und glücklich leben ?«
    Er spreizt die Hände vor der Brust, um mir zu bedeuten, leiser zu reden, wegen der beiden Jugendlichen, die ganz in der Nähe sind, und macht mir Zeichen, ihm hinter den Lieferwagen zu folgen. Sein Schritt ist so nervös, dass er regelrecht torkelt.
    Ich nehme ihn ins Verhör: »Und warum ?«
    »Warum was?«
    Seine Angst, seine Armut, seine schmuddlige Kleidung, sein schlecht rasiertes Gesicht und seine triefenden Augen erfüllen mich mit einer gewaltigen und ziemlich gemeinen Wut. Ich zittere am ganzen Leib.
    »Warum ?« , grolle ich, wütend über meine eigenen Worte, »warum werden die einen dem Glück der anderen geopfert? Es sind meistens die Besten, die Tapfersten, die sich entschließen, ihr Leben für das Heil derer zu geben, die in ihren Löchern hocken und sich ducken. Warum sollen es immer die Gerechten sein, die sich opfern, damit die weniger Gerechten überleben können? Findest du nicht, dass man damit die Spezies Mensch als Ganzes schädigt? Was bleibt denn in einigen Generationen noch übrig, wenn es immer die Besten sind, die von der Bühne abtreten, damit die Angsthasen und Arschlöcher, die Schwindler und Scharlatane sich weiter munter wie die Ratten vermehren?«
    »Da kann ich dir nicht folgen, Amin?! Die Dinge haben sich doch immer so und nicht anders abgespielt, das war schon in grauer Vorzeit so. Die einen sterben für das Heil der anderen. Glaubst du nicht an das Heil der anderen ?«
    »Nicht, wenn meines dabei ruiniert wird. Denn ihr habt mein Leben zerstört, meine Ehe vernichtet, meine Karriere zerschlagen und alles, was ich Stein für Stein im Schweiße meines Angesichts mühsam aufgebaut habe, zu Staub gemacht. Von heute auf morgen sind meine Träume eingestürzt wie Kartenhäuser. Alles, wonach ich nur zu greifen brauchte, um es zu haben, ist weg, einfach weggepustet. Pfui! … Alles hab ich verloren, und warum? Wegen nichts! Habt ihr an meinen Schmerz gedacht bei euren Freudensprüngen, als ihr hörtet, dass die Frau, die mir der liebste Mensch auf der Welt war, sich in die Luft gesprengt hat in einem Restaurant, das so berstend voll war mit Kindern wie sie mit Dynamit? Und du willst mir einreden, ich solle mich für den glücklichsten unter den Männern halten, weil meine Gattin eine Heldin ist, weil sie ihr Leben gegeben hat, ihren Wohlstand und meine Liebe, ohne mich auch nur zu fragen oder auf das Schlimmste vorzubereiten? Wie hab ich denn dagestanden, als ich mich weigerte zu akzeptieren, was alle Welt schon wusste? Wie einer, dem man Hörner aufgesetzt hat! Wie ein elender Hahnrei stand ich da. Bis auf die Knochen blamiert, so stand ich da. Wie einer, den seine Frau nach Strich und Faden betrog, während er sich abrackerte, um ihr das Leben so angenehm wie möglich zu machen.«
    »Ich glaube, du redest mit dem Falschen, Amin. Ich hab mit dieser Geschichte nichts zu tun. Ich hatte keinen blassen Schimmer, was Sihem vorhatte. Ich war meilenweit davon entfernt, sie einer solchen Initiative für fähig zu halten .«
    »Du hast aber doch gesagt, dass du stolz auf sie bist ?«
    »Was soll ich denn sonst sagen? Ich konnte doch nicht wissen, dass du davon nichts wusstest .«
    »Glaubst du denn, ich hätte sie auch noch dazu ermutigt, eine derartige Schau abzuziehen, wenn ich auch nur

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