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Die Attentaeterin

Die Attentaeterin

Titel: Die Attentaeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Blau. Yasser manövriert auf der Stelle, um die Schnauze seines Lieferwagens in Richtung einer Art halbüberdachten Hofs zu dirigieren, und schiebt sich geschickt zwischen das Gerippe eines Mini-Krans und einen ramponierten Jeep. Ein weißhaariger, schmuddeliger Wächter grüßt uns mit lascher Handbewegung, macht das Tor wieder zu und kehrt zu seiner Beschäftigung zurück.
    »Das war früher mal eine Lagerhalle«, informiert mich Yasser, um das Thema zu wechseln. »Adel, mein Sohn, hat sie für ein Butterbrot gekauft. Er wollte einen Handel mit Gebrauchtwagenteilen aufziehen. Aber unsere Leute sind derart erfinderisch, und es ist ihnen so was von egal, wie kaputt ihre Karre ist, dass sein Projekt nicht lange andauerte. Adel hat viel Geld in diese Idee gesteckt. Jetzt wartet er, bis sich was Neues bietet, und hat die Halle vorläufig zur Garage für die Anwohner umfunktioniert .«
    Sechs, sieben Autos stehen da, einige sind ausgemustert, mit Plattfuß und übel zugerichteter Windschutzscheibe. Eine dicke Limousine, weiter hinten abgestellt, vor der Sonne geschützt, zieht meine Aufmerksamkeit auf sich, außerdem ein cremefarbener Mercedes, älteres Modell, zur Hälfte mit einer Plane abgedeckt.
    »Der gehört Adel«, erklärt Yasser, meinem Blick folgend, stolz.
    »Wann hat er ihn gekauft ?«
    »Daran erinnere ich mich nicht mehr .«
    »Und warum ist er aufgebockt? Ist das ein Sammlerstück ?«
    »Nein, aber Adel ist zurzeit nicht da, und außer ihm fährt niemand den Wagen .«
    In meinem Kopf schwirren die Stimmen durcheinander. Erst die von Hauptmann Moshe – der Fahrer des Busses der Linie Tel Aviv – Nazareth sagt, deine Frau ist in einen cremefarbenen Mercedes, älteren Modells, gestiegen –, dann knallt mit voller Wucht die Stimme von Naveed Ronnen dagegen – mein Schwiegervater hat dasselbe Modell.
    »Wo ist Adel denn jetzt ?«
    »Du weißt doch, wie diese Geschäftsleute sind. Einen Tag hier, einen Tag dort, ständig auf der Jagd nach einer guten Gelegenheit.«
    Yassers Gesicht ist schon wieder ganz faltig.
    In Tel Aviv bekomme ich nur selten jemanden aus der Verwandtschaft zu Gesicht, aber Adel kam oft zu Besuch. Jung und dynamisch, wie er war, wollte er um jeden Preis erfolgreich sein. Er war erst siebzehn, da schlug er mir schon vor, mit ihm ins Telefongeschäft einzusteigen. Angesichts meiner Vorbehalte ist er wenig später mit einem neuen Projekt angerückt: der Wiederverwertung von Autoteilen. Ich hatte die größte Mühe, ihm klar zu machen, dass ich Chirurg war und mich zu sonst gar nichts berufen fühlte. Zu der Zeit übernachtete er jedes Mal, wenn er durch Tel Aviv kam, bei mir. Er war ein prima Bursche, ein witziger Kerl, und Sihem hatte ihn ohne Wenn und Aber akzeptiert. Er träumte davon, ein Unternehmen in Beirut zu gründen und von dort aus den arabischen Markt zu erobern, vor allem die Monarchien am Persischen Golf. Doch seit über einem Jahr hab ich nichts mehr von ihm gehört.
    »Als Sihem bei dir war, hat Adel sie da begleitet ?«
    Yasser streicht sich nervös über den Nasenrücken.
    »Ich weiß nicht. Ich war in der Moschee zum Freitagsgebet, als sie hier ankam. Sie traf nur Issam an, meinen Enkel, der das Haus hütete .«
    »Du sagtest, sie wäre noch nicht mal auf ein Glas Tee geblieben .«
    »Wie man halt so sagt .«
    »Und Adel?«
    »Ich weiß nicht .«
    »Weiß Issam das vielleicht ?«
    »Hab ihn nicht gefragt .«
    »Kannte Issam meine Frau ?«
    »Ich denke schon .«
    »Und seit wann? Sihem war ja nie in Bethlehem, und weder du noch Leila noch euer Enkel habt mich je besucht .«
    Yasser gerät ins Schleudern und fuchtelt hilflos mit den Armen herum. »Lass uns nach Hause gehen, Amin. Wir werden das alles in Ruhe bei einem guten Tee besprechen .«
    Zu Hause wird alles nur noch komplizierter. Wir treffen Leila im Bett an, unter Obhut einer Nachbarin. Ihr Puls geht schwach. Ich schlage vor, sie zur nächstgelegenen Ambulanz zu bringen. Yasser lehnt ab und erklärt mir, dass meine Milchschwester in ärztlicher Behandlung ist und die vielen Tabletten, die sie jeden Tag schlucken muss, sie in diesen Zustand versetzen. Kurze Zeit später, als Leila eingenickt ist, sage ich Yasser, dass ich mich gern mit Issam unterhalten würde.
    »Einverstanden«, antwortet er ohne große Begeisterung.
    »Ich werde ihn holen. Er wohnt zwei Häuserblocks entfernt .«
    Zwanzig Minuten später ist Yasser zurück, flankiert von einem kleinen Jungen mit olivfarbenem Teint.
    »Er ist krank«, warnt Yasser

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