Die Attentaeterin
suchen hatte und in wessen Auftrag sie tätig war …«
»Schickt dich die Polizei ?«
»Du vergisst, dass Sihem meine Frau war .«
Leila ist völlig verstört. Sie verübelt sich ihre Redseligkeit.
»Ich war nicht da, Amin. Das ist wirklich die Wahrheit. Kannst du nachprüfen. Ich war bei meiner ältesten Tochter, ihr Sohn ist beschnitten worden. Deine Tanten und Cousinen waren da, und viele Angehörige, die du vermutlich auch kennst. Ich war am Freitag gar nicht zu Hause .«
Ich sehe, wie sie immer mehr in Panik gerät, und beeile mich, sie zu beruhigen.
»Ist alles halb so wild, Leila. Ich bin es doch nur, dein Bruder. Ich habe weder eine Waffe dabei noch Handschellen. Das Letzte, was ich will, ist, dir Ärger zu machen, das weißt du doch. Ich bin doch nicht hier, um dich und die Familie in Schwierigkeiten zu bringen … Wo kann ich Yasser finden? Es ist mir lieber, wenn er es ist, der mir ein Licht aufsteckt .«
Leila fleht mich an, ihrem Mann nur ja nichts von unserem Gespräch zu sagen. Ich verspreche es ihr. Sie nennt mir die Anschrift der Ölmühle, in der Yasser arbeitet, bringt mich hinaus auf die Straße und sieht mir hinterher.
Ich halte auf dem Platz nach einem Taxi Ausschau, sehe weit und breit keins. Nach einer geschlagenen halben Stunde, als ich gerade Kim anrufen will, schlägt mir ein Illegaler vor, mich für ein paar Schekel irgendwohin zu bringen. Es ist ein junger, ziemlich kräftiger Mann mit lachenden Augen und einem witzigen Kinnbart. Mit theatralischer Beflissenheit öffnet er mir den Wagenschlag und schubst mich richtiggehend auf einen der verdreckten Sitze seines klapprigen Gefährts.
Wir umrunden den Platz, biegen in eine Straße mit rissigem Asphalt ein und lassen das aufgedunsene Kaff schon bald hinter uns. Nach einer Slalomtour durch geradezu anarchischen Verkehr entkommen wir mit etwas Glück in die Felder und schlängeln uns zu einer Piste oben auf der Anhöhe durch.
»Du bist wohl nicht aus der Gegend ?« , fragt der Chauffeur.
»Nein.«
»Verwandtenbesuch oder Geschäfte?«
»Beides.«
»Kommst du von weit her ?«
»Weiß nicht .«
Der Fahrer wiegt den Kopf hin und her.
»Bist ja nicht gerade eine Plaudertasche«, stellt er fest.
»Nicht heute.«
»Ich verstehe .«
Wir fahren ein paar Kilometer über die staubige Piste, ohne eine Menschenseele zu sehen. Die Sonne knallt mit voller Wucht auf die steinigen Hügelkuppen, die sich hintereinander zu verstecken scheinen, wie um uns aufzulauern.
»Mit einem Heftpflaster auf dem Mund komme ich nicht weit«, sagt er schon wieder, der Chauffeur. »Wenn ich nicht plaudern kann, implodier ich .«
Ich schweige vor mich hin.
Er räuspert sich und fährt fort: »Ich habe noch nie so saubere und gepflegte Hände wie deine gesehen. Bist du nicht zufällig Arzt? Nur Ärzte haben derart tadellose Hände .«
Ich drehe mich zu den Obstgärten hin, in deren Weite sich der Blick verliert.
Der Chauffeur, den mein Schweigen ärgert, seufzt tief auf und kramt dann so lange in seinem Handschuhfach herum, bis er eine Kassette gefunden hat, die er in den Rekorder schiebt.
»Das musst du dir anhören, mein Freund !« , ruft er.
»Wer Scheich Marwan nicht predigen gehört hat, der hat sein Leben nur halb gelebt !«
Er dreht am Regler, auf volle Lautstärke. Das Wageninnere wird von einem Heidenlärm überschwemmt, aus dem sich ab und zu ein ekstatischer Schrei löst oder eine Ovation. Jemand – vermutlich der Redner – tippt mit dem Finger gegen das Mikrophon, um das Gejohle zu dämpfen. Der Radau wird leiser, bricht nur stellenweise noch durch, dann empfängt aufmerksames Schweigen die klare Stimme von Imam Marwan.
»Gibt es eine größere Pracht und Herrlichkeit als das Antlitz des Herrn, meine Brüder? Gibt es hienieden, in dieser haltlosen, unbeständigen Welt, auch nur irgendetwas, das uns vom Antlitz Allahs hinweglocken könnte? Sagt mir, was könnte prächtiger sein? Der glitzernde Tand, nach dem die Einfältigen und Elenden trachten? Der schöne Schein? Die Luftspiegelungen, die den Blick auf die Falltüren ins Reich der Verderbnis verstellen und die Geblendeten zu todbringender Versengung verdammen? Sagt mir, meine Brüder, was könnte prächtiger sein …? Und am Jüngsten Tag, wenn die Erde nur mehr Staub sein wird, wenn von unseren Illusionen nichts als der Ruin unserer Seelen bleibt, was werden wir dann auf die Frage zu antworten wissen, was wir aus unserer Existenz gemacht haben? Was werden wir zu antworten wissen,
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