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Die Attentaeterin

Die Attentaeterin

Titel: Die Attentaeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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wenn wir alle, Große und Kleine, gefragt werden: Was habt ihr aus eurem Leben gemacht, was habt ihr mit meinen Propheten und all meiner Großmut gemacht, was habt ihr aus dem Heil gemacht, das ich euch anvertraut habe …? Und an diesem Tag, meine Brüder, werden euch eure Besitztümer, eure Beziehungen, eure Verbündeten, eure Anhänger von keinerlei Nutzen sein .« (Lautes Geschrei bricht aus, das gleich wieder von der Stimme des Scheichs übertönt wird.) »In Wahrheit, meine Brüder, besteht der Reichtum eines Mannes nicht in dem, was er besitzt, sondern in dem, was er zurücklässt. Und was besitzen wir schon, meine Brüder? Was werden wir einst zurücklassen …? Ein Vaterland …? Welches? Eine Geschichte …? Welche? Bedeutende Monumente …? Wo sind sie? Bei euren Vorvätern, zeigt sie mir … Tag für Tag werden wir in den Schmutz gezogen, wenn nicht gar vor die Tribunale gezerrt. Tag für Tag rollen Panzer über unsere Füße, werfen unsere Fuhrwerke um, reißen unsere Häuser nieder und schießen ohne Vorwarnung auf unsere Kinder. Tag für Tag sieht die ganze Welt unserem Unglück zu …«
    Mein Arm schnellt nach vorn, mein Daumen drückt die Auswerftaste, und schon ist die Kassette ausgespuckt. Der Chauffeur ist entgeistert. Mit hervortretenden Augen und aufgerissenem Mund blökt er mich an: »Was tust du da ?«
    »Ich mag keine Predigten .«
    »Was?« Empört schnappt er nach Luft. »Glaubst du vielleicht nicht an Gott ?«
    »Ich glaube nicht an seine Heiligen .«
    Er steigt mit solch einer Wucht auf die Bremse, dass die Vorderräder blockieren und der Wagen noch zehn Meter weiterrutscht, bevor er quer über der Straße zum Stehen kommt.
    »Was bist denn du für einer ?« , grunzt der Chauffeur, grün vor Wut. »Wie kannst du es wagen, deine Hand gegen Scheich Marwan zu erheben ?«
    »Ich hab doch wohl noch das Recht …«
    »Mann, du hast hier überhaupt kein Recht! Du bist in meinem Wagen. Und weder hier noch sonst wo werde ich zulassen, dass so ein Mistkerl wie du seine Dreckspfote gegen Scheich Marwan erhebt …! So, jetzt steig aus und geh mir aus den Augen !«
    »Wir sind noch nicht da .«
    »Doch, für dich ist hier Endstation! Hau ab, oder ich zieh dir das Fell über die Ohren !«
    Und schon beugt er sich fluchend über mich, stößt die Tür auf und macht Anstalten, mich hinauszuschieben.
    »Und lass dir ja nicht einfallen, mir noch mal über den Weg zu laufen, du Hurensohn !« , ruft er mir drohend nach, knallt polternd den Wagenschlag zu, legt ein wüstes Wendemanöver hin und stiebt unter schrillem Geknatter Richtung Bethlehem davon.
    Ich bleibe mitten auf der Piste zurück und starre ihm mit offenem Mund nach. Dann lasse ich mich auf einem Felsbrocken nieder und warte auf das nächste Fahrzeug. Da weit und breit keins in Sicht ist, stehe ich auf und laufe los, bis mich einige Kilometer weiter ein Fuhrmann mit seinem Karren überholt.

    Yasser bekommt das Zittern, als er mich auf der Schwelle zur Ölmühle erblickt, in der zwei Jugendliche an der Presse hantieren und das Olivenöl überwachen, das dickstrahlig in den Bottich sprudelt.
    »Na so was !« , entfährt es ihm zwischen zwei kräftigen Umarmungen, »unser Chirurg, wie er leibt und lebt. Warum hast du uns denn nicht vorher Bescheid gegeben? Ich hätte jemanden losgeschickt, der dich abholt .«
    Seine Begeisterung wirkt zu verkrampft, um echt zu sein.
    Er blickt auf die Uhr, dreht sich zu den beiden jungen Leuten um, ruft ihnen zu, dass er jetzt wegmuss und darauf vertraut, dass sie die Arbeit auch ohne ihn beenden können. Dann nimmt er mich beim Arm und schiebt mich zu einem alten Lieferwagen hin, der unter einem Baum am Fuß einer Anhöhe steht.
    »Fahren wir nach Hause. Leila wird sich freuen, dich wiederzusehen … wenn du nicht schon bei ihr warst ?«
    »Yasser«, sage ich, »reden wir nicht lange um den heißen Brei herum. Ich hab weder Zeit noch Lust dazu. Ich bin in einer ganz bestimmten Absicht hierher gekommen .« Ich setze ihm die Pistole auf die Brust, in der Hoffnung, ihn aus der Reserve zu locken: »Ich weiß, dass Sihem am Tag vor dem Attentat bei dir in Bethlehem war .«
    »Wer hat dir denn so was erzählt ?« , fragt er flattrig und blickt nervös zur Mühle.
    Ich schwindle ihn an, während ich den Brief aus meiner Hemdtasche ziehe.
    »Sihem selber hat es mir an dem besagten Tag erzählt .«
    Seine Wange beginnt krampfhaft zu zucken. Er schluckt heftig, dann stammelt er: »Sie ist nicht lange geblieben. Nur eben ein

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