Die Attentäterin
falls nötig, wird sie es tun. Und sollte es irgendwann tatsächlich zum Knall kommen, hat sie vielleicht keine Zeit mehr für einen Abstecher zur Bank.
Die ›Bank‹ befindet sich in diesem Fall unter den Ruinen der Nordost-Promenade. Eine kurze Taxifahrt bringt sie vom Restaurant in einen Bezirk namens Holmesburg. Die Parkplätze sind mit Abfall, Schutt und ausgebrannten Fahrzeugen übersät. Feuer brennen in Metallfässern. Fünf Minuteman-Streifenwagen parken mit blinkenden Blaulichtern vor dem Haupteingang. Ein Dutzend Mitglieder einer Bande mit Motorrädern feiern auf der Westseite eine Party. Auf der Nordseite der Promenade findet Tikki einen offenen Notausgang, der ihr den Zugang zu einer ins Untergeschoß führenden Treppe ermöglicht.
Es ist finster hier unten, finster wie die Nacht. Die Luft stinkt nach Kerosin und Benzin. Laserlicht blitzt, Scheinwerfer strahlen. Musik dröhnt, ein halbes Dutzend nicht harmonierende Melodien, widerstreitende Rhythmen, Hämmern, Stampfen. Ein Rennmotorrad heult auf und jagt über den Promenadenplatz. Menschen und Metamenschen, ein paar Elfen, Orks und sogar einige Trolle, stehen in Gruppen herum oder wandern umher, reden, lachen, rufen, kreischen. Manche trinken, andere dösen vor sich hin. Ein Pärchen in schwarzem Kunstleder windet sich in leidenschaftlicher Umarmung auf einer der Marmorimitatbänke. Abfälle und anderer Müll beeinträchtigen an manchen Stellen das Vorankommen. Erbrochenes und Exkremente haben sich längst mit den Abfällen vermischt und tragen zu dem widerlichen Gestank bei, der die Luft verpestet.
Die Geschäfte auf beiden Seiten der Promenade sind verschiedenen anderen Bestimmungen zugeführt worden. Eines bietet Raubkopien von SimSinn-Chips und -Bändern an - alle Better Than Life. Garantiert. Ein anderes hat sich auf bewußtseinsverändernde Chemikalien spezialisiert. Verschiedene andere haben eine beachtliche Vielfalt von Waren ausgestellt, alle unzweifelhaft gestohlen. Die meisten Läden werden von Artisten mit Kanonen bewacht, hauptsächlich automatische Waffen, darunter auch Maschinengewehre.
Etwa in der Mitte der Promenadenplaza befindet sich der Laden, den die Death Angels, eine der mächtigsten Motorradgangs der Stadt, zu ihrem Hauptquartier gemacht haben. Viele Mitglieder sind billige Messerklauen, Kick-Artisten und Killer. Unbedeutendere Talente, soweit es Tikki betrifft, doch wert, sie mit einem gewissen Maß an Respekt zu behandeln, wert, sie zu beobachten, wenn auch nur aus dem Augenwinkel.
Eines der Bandenmitglieder, das vor dem Eingang zum Hauptquartier herumhängt, prostet ihr mit einer Flasche Schnaps zu und ruft: »Hoi, Striper!«
»Hoi, Pinkel!« knurrt sie als Erwiderung.
Das Bandenmitglied gackert vor Lachen, ballt dann die Faust, schiebt sie in Hüfthöhe wie eine Säge hin und her und tönt: »El numero uno!«
Der Respekt beruht auf Gegenseitigkeit.
Und so muß es auch sein.
Wenn es nicht so ist, wird das Leben gefährlich. Die Death Angels wissen das. Sie würden in Nordostphilly nicht überleben, wenn sie sich mit jedem anlegten, der ihnen über den Weg läuft. Außerdem scheinen sie zu wissen, daß Tikki ein Jäger ist, der es verdient, richtig behandelt zu werden. Sie weiß nicht genau, wie sie dahintergekommen sind, aber sie hat seit dem Tag ihrer Ankunft nie Probleme mit ihnen gehabt.
Die Bank befindet sich gleich neben dem Hauptquartier der Angels. Die Ladenfront ist durch eine Metallmauer geschützt, die nur von einer einzelnen schmalen Tür unterbrochen wird. Tikki pocht an die Tür. Der schmale Schlitz in der Tür öffnet sich. Ein großes Auge betrachtet sie. Einen Augenblick später öffnet sich die Tür, und Tikki betritt den Außenraum der Bank. Sie schaut auf eine weitere Metallmauer, in der sich die Umrisse einer weiteren Tür abzeichnen. Links neben ihr steht ein Plastiktisch, rechts neben ihr ein Troll, und zwar ein großer. Er ist unter dem Namen Duke bekannt und hat derartig massive Knochenablagerungen unter seiner Haut, daß sie eher wie eine klumpige Lederhaut mit darin eingenähten Steinen aussieht. Die Klumpen erheben sich zu abgeflachten Stacheln, die sich über seinen gesamten Schädel ziehen.
Duke ist nicht ganz doppelt so groß wie Tikki, aber fast. Zumindest sieht er so aus, wie er da vor ihr steht. Ihm ins Gesicht zu schauen, ist so, als ob man zur Decke blickt. Er ist so groß, daß er sich ganz tief bücken muß, wenn er durch eine normale Tür gehen will. Und wenn er sich in
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