Die Attentäterin
Herr und Meister nicht da ist. »Ihr könnt einkaufen gehen.«
»Das haben wir gestern schon getan, Liebster.«
»Euch wird schon etwas einfallen, da bin ich mir sicher.«
»Oh... gewiß. Bestimmt sogar.«
Das kann sich Ohara gut vorstellen.
»Ich würde es lieber mit dir tun.«
Ohara nickt. »Hol meinen Aktenkoffer.«
Sie tut es und verlangt einen Kuß, bevor sie den Koffer losläßt. Ihre unbedeutenden Tyranneien stören ihn nicht. Ein Wort von ihm, und sie liegt auf der Straße und auf ihrem wohlgeformten Hintern. Es gibt keinen Zweifel, wer das Sagen hat. Ohara gefällt es so, besteht tatsächlich sogar darauf.
Mit dem Aktenkoffer in der Hand geht er durch das Wohnzimmer zur Eingangstür. Seine beiden Beschützer von Birnoth Comitatus sind bereit und erwarten ihn. Ein Leibwächter geht ihm voraus, als sie den Flur betreten, der andere folgt dicht hinter ihm. Sie tun nicht mehr, als ihm grüßend zuzunicken. Keine lockeren Scherze, kein Geplauder irgendwelcher Art.
Einer überprüft den Fahrstuhl, nickt wieder. Ohara betritt ihn. Sie fahren abwärts in das unterirdische Parkhaus. Vor den Fahrstühlen wartet Oharas langer schwarzer Nissan Ultima V, der heute von einem Ford und einem Sicherheitsmobil von General Products sowie zusätzlichen Wächtern begleitet wird. All das hat ihm Kono-Furata-Ko auf sein Ersuchen zur Verfügung gestellt.
Es zahlt sich aus, vorsichtig zu sein. Der Tod von Exotechs Leiter der Abteilung Sonderprojekte hat Ohara an die Notwendigkeit zur Vorsicht gemahnt. Wahrscheinlich war sein Tod nur die Folge einer weiteren sinnlosen, ziellosen Gewalttat, aber bis die Polizei das bestätigt, nimmt Ohara das Schlimmste an - daß er selbst das nächste Opfer auf der Liste des Attentäters ist. Ein Mann wie er, der hohe Positionen in einigen der führenden Konzerne bekleidet hat, kann nicht zu dem aufgestiegen sein, was er jetzt ist, ohne sich dabei hier und da ein paar Feinde gemacht zu haben. So geht es in der Konzernwelt nun einmal zu. Damit muß man immer rechnen. Ein Mann in seiner Position, ein Mitglied der Konzernelite, muß sich den Blick für die Realitäten und auch für seine eigene Verwundbarkeit bewahren.
Mit vier raschen Schritten überbrückt Ohara die Strecke zwischen Fahrstuhl und Limousine und steigt ein. Seine zwei Beschützer folgen ihm hinein. Die Türen schließen sich, und die Limousine setzt sich in Bewegung, gleitet zügig aus dem Parkhaus und durch die ›Siedlung‹ - eine geplante Gemeinde niedriger Häuser mit Eigentumswohnungen und Parks, die von einem Konsortium der größten Konzerne der Stadt gebaut und verwaltet wird.
Die Fahrt auf dem Highway 30 in die Innenstadt Philadelphias dauert nicht lange, da die Limousine die Schnellspur nimmt und mit hoher Geschwindigkeit fährt. Ohara vertreibt sich die Zeit damit, sich ein paar Immobilienvideos im Konsolentrid anzusehen. Sein Erfolg bei Exotech Entertainment hat seiner Karriere neuen Schub verliehen. Noch ein paar Monate, dann wird er in einer Position sein, in der er einen neuen Vertrag mit dem Vorstand von KFK aushandeln kann. Danach wird er sein nächstes Ziel in Angriff nehmen, die Kontrolle über den Vorstand und schließlich dessen Vorsitz. Die Spürhunde, die er in aller Stille auf die Vorstandsmitglieder angesetzt hat, haben bereits ein paar Informationen ausgegraben, die sich als äußerst nützlich erweisen dürften.
Sobald er seinen neuen Vertrag mit einer substantiellen Steigerung seiner Bezüge und Gewinne in der Tasche hat, kann er an eine neue Behausung denken, möglicherweise ein Anwesen im höchst exklusiven Reservat von Villanova. Im Vergleich mit den Platinum Manor Estates wäre praktisch alles eine Verbesserung. Er in einer Eigentumswohnung? Der bloße Gedanke ist widerlich. Praktisch ein Schlag ins Gesicht.
Werden seine zwei Spielgefährtinnen den Umzug überleben? Diese Entscheidung wird er sehr bald treffen müssen. Gewiß wäre es dem Vorstand von KFK lieber, wenn er mit einer Frau und ein paar Kindern aufwarten könnte.
Vielleicht eine Aussöhnung mit seiner Ex?
Ein Gedanke, über den es sich nachzudenken lohnt.
»Guten Morgen, Mr. Ohara.«
»Enoshi und Cha.«
»Jawohl, Sir. Sofort.«
Ohara winkt vage mit der Hand und geht über den mit plüschigem Teppichboden ausgelegten Flur zu seinem Büro. Die ikonenartige Blondine hinter dem Empfangstisch weiß, wie sie zu reagieren und zu springen hat. Das gefällt Ohara. Ganz besonders gefällt ihm, wenn sich die Leute so verhalten,
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