Die Attentäterin
Mitglied dieser Gruppe.
Die Decke des Parkhauses ist niedrig und wird von mächtigen Betonpfeilern gehalten. Zwischen den Pfeilern an der Decke angebrachte Lampen sorgen für eine grelle Beleuchtung. Die Reihen der wartenden Automobile erstrecken sich in alle Richtungen. Tikki hält die Rapier an und streift sich einen kleinen Rucksack von den Schultern. Sie holt einen Toshiba SC-701, einen grafischen Sender-Empfänger, heraus und schaltet ihn mit einer Berührung der Fingerspitze ein. Die Anzeige erwacht mit farbigen geometrischen Figuren zum Leben, die sich zu einer detaillierten schematischen Darstellung ihrer gegenwärtigen Umgebung zusammenfügen. Der Speicher des Geräts enthält die gesamte Stadt. Der kleine rote Punkt auf der Anzeige kennzeichnet den Aufenthaltsort eines besonderen Wagens, einer schweren Limousine vom Typ Nissan Ultima V, die von einem Mitglied der hiesigen Yakuza benutzt wird. Tikki hat zuvor einen Sender, Modell Toshiba SCA-7234, an dem Wagen angebracht, der jetzt direkt den Empfänger in ihrer Hand anspricht.
Sie ist gerne gut vorbereitet.
Kurz darauf trifft ihr Ziel per Fahrstuhl mit zwei männlichen Begleitern im Parkhaus ein. Tikki beobachtet sie durch die Reihen geparkter Wagen. Sie sehen sich müßig um, lassen aber keinen Verdacht erkennen, ein Jäger könne sie beobachten, ihre Schritte abmessen und nur auf den richtigen Augenblick zum Zuschlägen warten.
Ein Angriff auf menschliche Tiere in der Stadt unterscheidet sich ein wenig von Angriffen auf andere Tiere in der Wildnis. Der erfolgreiche Jäger wählt den richtigen Augenblick mit Bedacht. Ein Angriff, der das Opfer nicht tötet, ist schlimmer als gar kein Angriff, weil er die Beute auf die Anwesenheit des Jägers aufmerksam macht. Die Beute muß ahnungslos bleiben bis zum letzten Augenblick, wenn sich der Tod auf sie stürzt und ihr mit einem einzigen Biß das Genick bricht.
Der Nissan erwacht surrend zum Leben und rollt auf die Ausfahrt des Parkhauses zu. Tikki läßt die Rapier an und folgt ihm.
Der Augenblick des Todes kommt näher.
Die Limousine nimmt die Franklin Bridge über den Delaware nach Camden, Inc., wo die Nacht in grellem Neon brennt und vor blitzenden Stroboskoplichtern brodelt. Die Prozession blendender Megawatt-Fassaden beginnt. Die Namen der Casinos und Nachtclubs erheben sich fünf, zehn, fünfzehn, zwanzig Stockwerke hoch: Polichrome Palace, Ritz Royale, Dragon's Loft, Rage of Mages, Four Aces, Glistening Underling, Silk Refuge. Die Straßen verbreitern sich zu Boulevards. Laserdioramen spannen sich über die Straßen und verkünden ihre Reklamebotschaft. Sparsame Kompaktwagen verschwinden inmitten einer Flut glänzender Limousinen und feudaler Exec-Schlitten. Menschenmengen in glitzernder Prestigewear und den verspiegelten NeoMonochrom-Monturen ergießen sich unablässig über die Bürgersteige und durch fantastische Eingänge aus strahlendem, flackerndem Licht.
Polizei ist kaum zu sehen. Die Yakuza kontrolliert die Stadtbehörde, die Yakuza sorgt für Sicherheit. An jeder Ecke stehen zwei oder mehr ihrer Kobun in besonderen roten, orangefarbenen oder gelben Jacken und patrouillieren die Blocks. Schwerbewaffnete Rückendeckung wartet in gekennzeichneten Sicherheitstransportern in verschiedenen Seitenstraßen. Der gewöhnliche Bürger wird mit einem Respekt behandelt, der normalerweise Königen und Königinnen Vorbehalten bleibt, während man sich störender Elemente unverzüglich und ohne Einschaltung eines Gerichts annimmt. Kriminelle oder gar gewaltsame Zwischenfälle gibt es in der Regel nur ganz selten. All das macht Camden zu einem interessanten Ort, insbesondere für einen Jäger.
Der Nissan biegt in die Einfahrt zum Gingko Club. Tikkis Ziel kommt ein- oder zweimal die Woche hierher. Sie hat dieses Gelände zuvor genau ausgeforscht. Der Name des Clubs bezieht sich auf den Nüsse tragenden Gingkobaum mit seinen fächerähnlichen Blättern. Der Baum ist chinesisch, der Name japanisch. Der Club gehört dem hiesigen Zweig der Honjowaragumi-Yakuza. Keine Überraschung.
Hier wird es geschehen.
Der Haupteingang wird stark bewacht. Die Türsteher benutzen ein Scannersystem vom Typ Fuchi Sec- Tech-7, um Waffen bei den Gästen schon am Eingang aufzuspüren. Tikki weiß, wie man solche Dinge um geht. Tatsächlich hat sie ein Gerät von einem Spezialisten in San Francisco bekommen, das sie wahrscheinlich glatt durchschleusen würde, mit Hardware und allem. Ihr stehen jedoch andere Möglichkeiten
Weitere Kostenlose Bücher