Die Attentäterin
wie die Natur es gebietet.
Etwa im Zentrum der Etage senkt sie den Kopf und stemmt sich gegen einen hohen Stapel Umzugskisten - einmal, dann noch einmal. Der Stapel schwankt und stürzt dann ein. Während die Kisten auf den Boden fallen, eilt sie mit weiten Sätzen davon, durch einen Seitengang, um eine Ecke und dann durch einen Hauptgang zur Außenwand des Lagerhauses.
Sie bewegt sich mühelos, fließend und geschmeidig, ein Phantom in Rot und Schwarz. Ihre Krallen sorgen für einen sicheren Halt auf dem Betonboden. Ihre stark gepolsterten Tatzen verursachen kein Geräusch.
Es ist ihr nicht schwergefallen herauszufinden, wer hinter ihr her ist. Auf der Straße war praktisch von nichts anderem die Rede. Die Jäger hatten jedem mit Informationen Nuyen angeboten. Derartige Angebote sprechen sich schnell herum.
Die Jäger in dieses Lagerhaus am Flußufer zu locken, erwies sich geradezu als ein Kinderspiel. Steels Freunde haben das geregelt.
In diesem Augenblick, ein Stück links von ihr, schreit Hammer wieder etwas und gibt einen weiteren Feuerstoß aus seiner Waffe ab. Er geht auf den eingestürzten Kistenstapel zu. Tikki weiß das, auch ohne seinen Lärm hören zu müssen. Sie weiß es ganz einfach dadurch, daß sie atmet. Bei jedem Atemzug wird ihre Nase von Tausenden verschiedener Düfte und Gerüche überflutet. Manche dieser Düfte sind bedeutungslos, der Geruch nach Plastik und Pappe, der staubige Geruch nach Beton. Hammers Gerüche stehen dazu in scharfem Kontrast, treten so deutlich hervor wie ein Leuchtfeuer und zeichnen eine exakte Karte in ihrem Verstand.
»Du bist TOT! TOTES FLEISCH!« bellt Hammer.
Die Smartgun hämmert.
Tikki bleibt stehen. Hammer biegt um eine Ecke, und sie steht direkt vor ihm, weniger als einen halben Meter entfernt. Der Mann reagiert, wie sein Instinkt es gebietet - er prallt zurück. Der Geruch nach Überraschung und Angst überflutet die Luft. Hammer hebt die Smartgun, aber sie springt bereits auf die Hinterbeine und schlägt mit einer Tatze zu. Sie fegt die Kanone in dem Augenblick beiseite, als sie losgeht, so daß ihr das stakkatohafte Hämmern in den Ohren dröhnt.
Die Kanone fliegt davon. Hammer schreit und taumelt rückwärts, stolpert, dreht sich einmal um die eigene Achse, brüllt etwas, während er seine blutende Hand umklammert. Ihre Krallen haben sein Fleisch zerfetzt, als sie ihm die Kanone aus der Hand geschlagen hat. Jetzt rückt sie vor, springt ihn immer wieder an, schlägt ihn mit ihren Tatzen, hackt mit den Krallen nach ihm. Hammer zieht noch eine Kanone. Sie schlägt sie ihm aus der Hand. Er zieht ein Messer. Sie fegt es beiseite und reißt ihm den Arm von der Schulter bis zum Handgelenk auf. Er schreit, fällt auf den Rücken, kriecht über den Boden, rappelt sich auf und fängt an zu laufen, aber sie ist bereits über ihm, schlägt ihn nieder, nieder und nieder und nieder, bis er sich schreiend auf den Rücken wälzt.
»LASS MICH LOS! LASS MICH LOS!«
Sie hockt sich auf seinen Körper, bleckt die Zähne und brüllt. Die Luft füllt sich mit dem stechenden Gestank seines Entsetzens. Das ist der Beweis, den sie verlangt, das sicherste Maß ihrer Macht. Jeder Jäger, der hier vorbeikommt, wird das Entsetzen riechen, das sie hervorgerufen hat, und sich zur Warnung dienen lassen.
Sie zuckt zufrieden mit den Ohren und beißt ihm dann die Kehle durch. Das ist der Preis, den man zu zahlen hat, wenn man sich gegen den Jäger wendet.
Der Preis, den die Natur verlangt.
Er rückt die Dinge wieder zurecht.
14-07-54/04:46:51
Kamera an.
Die eingestöpselte Sony CB-5000 in der Halterung auf seinem Helm erwacht mit einem Schauer elektronischen Schnees und kurzem statischen Getöse zum Leben. Skeeter schaltet den Bionome Tridlink-Controller an seinem rechten Unterarm ein, so daß eine kom plette Auflistung aller technischen Daten das Blickfeld seiner Seretech Evening Shade-Cyberaugen überlagert. Völlig witzlos, seine verdammte Haut zu Markte zu tragen, wenn die verdammte Ausrüstung nicht jede blutgetränkte Einzelheit aufzeichnet.
»Skeeter!« sagt J.B. ungeduldig. »Bin ich...?«
Skeeter zeigt mit dem Finger auf die himamputierte Schnalle. Du bist längst drauf! Fang endlich an zu quatschen, Schwachkopf! J.B. hebt ihr Mikro. »Hier spricht Joi Bang für WHAM! Independent News, und ich befinde mich hier in Philadelphias Hafengegend, wo laut Polizeifunk ein Kleinkrieg mit automatischen Waffen ausgetragen wird.«
Skeeter streckt den rechten Arm
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