Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Attentäterin

Die Attentäterin

Titel: Die Attentäterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nyx Smith
Vom Netzwerk:
derjenigen zu erfahren, die ihn angeworben haben. Gewiß, sie hat den Verdacht, daß es Adamas Konkurrenten waren, aber es wäre kein Fehler gewesen, sich diese Vermutung bestätigen zu lassen. Sie hätte Ham mer ebenso leicht nach dem Verhör töten können, und sie ist tatsächlich auch ein wenig überrascht, daß Adama ihr nichts dergleichen nahegelegt hat. Die meisten Triadenführer, die sie kennt, insbesondere die Roten Stäbe, die für Strafaktionen zuständig sind, halten sehr viel von Symbolen. Wenige Dinge sind symbolischer, als die von der Folter verstümmelte Leiche eines gegnerischen Attentäters an der Türschwelle des Gegners zurückzulassen. In einigen Gegenden der Welt ist das die gängige Praxis. Alles andere würde einen ernsten Gesichtsverlust nach sich ziehen.
    Aber das ist noch nicht alles, was ihr falsch vorkommt. Was Tikki wirklich stört, ist die Erkenntnis, daß sie in der Absicht zu dem Lagerhaus gegangen ist zu töten, zu metzeln, die Tiere, die sie jagen, auszulöschen. Das war sehr dumm. Sie ist klüger, muß nicht in derart eingeschränkten Begriffen denken, sie war schon als Kind klüger. Vielleicht kann sie sich diese Denkweise in der Wildnis leisten, aber in der Stadt muß sie schlauer sein und die möglichen Auswirkungen ihrer Handlungen gründlicher durchdenken.
    Außerdem ist da die Frage der Identität. In gewissen Kreisen halten sehr viele Leute Tikki für einen Killer, und noch mehr Leute haben nicht den geringsten Zweifel daran, daß sie sich für Muskel-Jobs anheuern läßt. In den letzten Jahren hat sie jedoch Schritte unternommen, um ihre Identität zu verbergen, wenn sie Jagd auf zweibeinige Beute macht. Die Frage lautet also, woher Adamas Konkurrenten, die Honjowara-gumi-Yakuza, weiß, daß sie diejenige ist, die ihre mittleren Execs eliminiert hat. Denn sie haben es gewußt, sonst hätten sie nicht Hammer auf sie angesetzt. Oder war es nur eine Vermutung? Hat sie einen Fehler begangen? Könnte sich in Adamas Organisation ein Spion oder Informant befinden? Könnte Adama selbst sie verraten haben?
    Beunruhigende Fragen, auf die sie Antworten fin den muß, aber keine dieser Fragen ist so beunruhigend wie etwas anderes, das heute nacht passiert ist.
    In dem Lagerhaus hat sie das eifische Medienmädchen und den zwergischen Kameramann entkommen lassen, aber sie hat tatsächlich kurz erwogen, die beiden abzuschlachten, nur weil sie da waren. Ihr Instinkt schien es zu gebieten, schien ihr zu befehlen, sie zu töten, sie auseinanderzureißen, sich an ihrem Fleisch zu laben. Sie spürte, wie der Mond auf sie niederbrannte und in ihre Raubtierseele griff. Sie hat es nicht getan, weil ihr das nicht gefallen hat, nicht gefallen hat, was sie fühlte, absolut nicht gefallen hat.
    Jetzt gefällt es ihr noch weniger.
    Das Elfenmädchen hat auf eine Weise gerochen, wie es nur Magier tun. Der Zwerg stank nach Kybernetik. Tikki fiele es schwer zu entscheiden, was abstoßender ist, das Fleisch eines Metamenschen oder das metallverseuchte Fleisch der kybernetisch verstärkten.
    Aber darum geht es gar nicht.
    Es geht um Folgendes: Tikki entscheidet, was sie tut, wo und warm sie tötet, falls sie tötet. Niemand anderer trifft diese Entscheidung. Niemand. Das ist ihre eiserne Regel, ihr Gesetz. Alle müssen gehorchen. Sogar sie selbst. Sogar ihr Instinkt. Nur aufgrund der rücksichtslosen Durchsetzung dieses Gesetzes ist es ihr gelungen, so lange zu überleben. Wenn sie jedesmal getötet hätte, wenn sie das Verlangen überkam, wäre sie nichts anderes als ein Amok laufendes Tier, und die Menschheit hätte sich längst zusammengetan, um sie zu jagen und zu töten.
    Zugegeben, ihr ewiger Streit mit den dunkelsten Regungen ihrer Instinkte geht manchmal zu ihren Ungunsten aus. Sie hat Dinge getan, auch und gerade in der jüngsten Vergangenheit, die sie jetzt bereut. Sie weint und jammert deshalb nicht, weil das sinnlos wäre. Vielmehr bemüht sie sich, aus ihren Fehlern zu lernen, so daß sie diese Fehler beim nächstenmal nicht mehr begeht. So daß sie eines Tages ihren Platz in der Menschenwelt ebenso kennen wird wie ihren Platz in der Wildnis.
    Sie mag Menschen, Metamenschen und andere Spezies zur Beute nehmen, aber sie sind keine natürliche Beute. Sie würde sie niemals um ihres Fleisches willen jagen. Nicht mehr, als sie einen anderen Tiger, Wertiger oder sonstigen Gestaltwandler jagen würde.
    Und darum wäre es falsch gewesen, die Elfe und den Zwerg zu töten. Was die Menschen Mord nennen.

Weitere Kostenlose Bücher