Die Aufrichtigen (German Edition)
arianischem Ritus taufen. Der allerchristlichste Kaiser war aus katholischer Sicht also ein Ketzer. Das passte nicht ins Geschichtsbild der römischen Kirche. So wundert es nicht, dass zahllose Legenden über die Bekehrung des Kaisers zum Katholizismus überliefert worden sind.
E.A.S.
Schiefer Dienstag, 0 Uhr 41; das zweite Gesicht
»Ich habe ihn verloren.«
Widerwillig löste sich Pater Donatus aus seiner Andacht im Seitenschiff des Domes. Die wenigen Kerzen vermochten die Finsternis kaum zu durchdringen.
»Ich weiß, mein Sohn, ich weiß. Gräme dich nicht deswegen«, sagte er traurig. »Einen jeden wird sein Schicksal ereilen, auch dich mein Sohn. Einem jeden ist sein Kreuz bestimmt.«
Der junge Mann senkte beschämt den Blick.
»Vater«, erwiderte er leise, »Ihr habt mich gelehrt, dass der Mensch das Werkzeug Gottes ist. Aber was taugt ein Werkzeug, das nicht zu gebrauchen ist? Ich habe versagt und fürchte mich.«
Er sah müde und abgekämpft aus. Pater Donatus ging auf ihn zu und schloss ihn zärtlich in die Arme. Der Junge schmiegte sich an ihn.
»Ich habe dich Maiorinus genannt, weil ich an dich glaube. Maiorinus war der rechtmäßige Bischof, doch die katholischen Ketzer haben Caecilian gewählt. Dich habe ich ausgewählt, weil ich dich vor allen anderen liebe. Auch du bist der Rechtmäßige, also fürchte dich nicht. Du bist noch so jung. Deine Zeit wird kommen.«
Er strich ihm übers Haar und küsste ihn auf den Mund. Der Junge ließ es geschehen.
»Du hast versagt, mein Sohn, und nicht einmal ich weiß, ob Gottes Gnade so weit reicht, dies zu vergeben. Du hast mir, du hast Gott geschworen, den Professor aufzuhalten, ihn zu zwingen, den Betrug aufzudecken, der Heuchelei Einhalt zu gebieten. Denn die Geschichte darf sich nicht wiederholen. Die römische Kirche darf diesmal nicht als Sieger hervorgehen. Das sind wir Gott schuldig.«
Vernichtet ließ sich der junge Mann fallen, sank vor dem Pater auf die Knie und presste sich an ihn.
»Ich gestehe, dass ich gezweifelt habe, als er zum Herrenmahl erschien. Doch als Ihr mich schicktet, dem Professor zu folgen, da kehrte mein Glaube zurück. Es steht mir nicht zu, an Euch zu zweifeln.«
»Ich habe gehofft, er würde sich uns anschließen, er würde von sich aus die Wahrheit bekennen.«
»Müssen wir ihn wirklich mit Gewalt dazu bringen?«
Pater Donatus löste sich aus der Umklammerung, legte die Hand unter das Kinn des Jungen und hob seinen Kopf empor. Er liebte dieses schöne Gesicht.
»Wir sind Märtyrer«, sagte er sanft, »wir opfern uns für unseren Glauben!«
»Ihr lehrtet mich, Vater, dass es das größte Opfer, das reinste Martyrium sei, auch das Letzte zu tun. Die Donatisten sind für ihren Glauben gestorben, als die römischen Eroberer sie zwangen, dem wahren Gott abzuschwören und den Kaiser anzubeten. Als aber der römische Klerus sich aufschwang und Gott selbst verriet, da mussten sie sündigen, um dem Frevel entgegenzutreten.«
»Die Circumcellionen haben schwere Schuld auf sich geladen, doch Gott hat sie voller Liebe angelächelt, so wie ich dich jetzt anlächle.«
»Seit ich davon hörte, wollte auch ich ein Soldat Christi sein. Noch einmal werde ich Euch nicht enttäuschen.«
»Wer bereit ist, für seinen Glauben zu sterben, der wird ewig leben. Die Circumcellionen sind sogar bereit gewesen, für ihren Glauben zu töten. Damit verzichteten sie auf das ewige Leben, bedenke das. Müssen sie nicht viel mehr ewig leben, wenn schon der ewig lebt, der nur sein irdisches Leben hingibt für Gott?«
Der junge Mann erinnerte sich an diese Worte, den verhangenen Tag im Spätsommer, als Pater Donatus der kleinen, verschworenen Gemeinschaft von den Circumcellionen erzählte, jenen religiösen Fanatikern der Spätantike, die Mordanschläge auf katholische Geistliche und deren Familien verübten, um den Verrat zu rächen. Die Worte hatten sich wie Feuer in sein Gedächtnis gebrannt, ein Brandzeichen, das er seither trug.
Schon früh spürte Pater Donatus die Berufung, sein ganzes Leben Gott zu widmen. Doch er litt an dem Widerspruch zwischen den Machenschaften der Kirche, der er dienen wollte und der Sehnsucht seines Glaubens. Im Priesterseminar vertraute er sich seinem Lehrer an, Pater Bernhard Rothmann, ein Mönch, der ihm besondere Aufmerksamkeit widmete. Pater Bernhard säte behutsam und entfachte in ihm die Sehnsucht nach einer kompromisslosen Hingabe zu Gott. Sein Mentor sorgte dafür, dass Donatus die richtigen Leute traf, die
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