Die Aufrichtigen (German Edition)
Mannes riss Pater Donatus aus seinen Gedanken. Sein Schützling kniete noch immer vor ihm und rieb vorsichtig die Wange an der Kutte. Einen kurzen Moment schob er sich dem schönen Gesicht entgegen und schloss die Augen.
»Tu‘ das nicht!«, sagte er leise. Der junge Mann sah zu ihm hinauf. »Die Liebe der Menschen ist nur ein Gleichnis für die Liebe des Vaters. Er hat seinen Sohn für uns am Kreuz geopfert. Was bist du zu tun bereit?«
Der Junge senkte den Blick.
»Was bist du zu tun bereit?«, donnerte Donatus. Der Körper unter ihm zuckte zusammen.
»Befiehl, Vater.«
»Gut, mein Sohn, es ist gut. Die Schwachen, die verirrten Zauderer, liebt nicht Gott die am Meisten?«, sagte der Pater sanft. Dann fügte er streng hinzu: »Wenn sie nur wieder zurückfinden zu ihm! Gott offenbart sich in den Pflichten, die er uns auferlegt. Fliehen wir die Pflichten, fliehen wir Gott!«
Pater Donatus machte sich los und ging schweigend auf und ab. Hatte der junge Mann nicht selbst der Gewalt das Wort geredet, war er nicht bei den verschworenen Zusammenkünften dafür eingetreten, die Feinde der Kirche der Märtyrer zu bekämpfen? Aber das waren doch nur Gedankenspiele. Er hatte sich wichtig gemacht, um dem Pater zu gefallen. Doch heute nacht durfte er nicht zweifeln, der Augenblick der Tat war gekommen. Dann würde der Pater ihm nicht mehr die Liebe verweigern. Er würde seine Pflicht erfüllen, die Pflicht, in der sich Gott offenbart, gerade wenn sie schrecklich ist.
Pater Donatus trat dicht an ihn heran und hob ihn vom Boden auf, umarmte ihn und drückte den Mund an sein Ohr.
»Bist du bereit?«
Der Junge fühlte den heißen Atem. Er nickte.
»So lass uns beten und höre dann deinen Auftrag!«
»Pater noster, qui es in coelis.« Vater unser, der Du bist im Himmel.
»Sanctificetur nomen tuum«, stimmte Maiorinus mit ein.
Geheiligt werde Dein Name.
»Fiat voluntas tuas.« Dein Wille geschehe!
Der Heilige Krieg
Kriege gibt es nicht erst, seit es Christen gibt. Die Menschen haben sich zu allen Zeiten die Köpfe eingeschlagen.
Die Mutter aller Kriege ist der Kampf um Troja. In Homers Epos spielen die Götter die eigentliche Rolle. Doch bei aller Feindschaft zwischen den Achaiern und den Trojanern, bei allem Zwist unter den Olympiern, waren diese Götter doch das verbindende Element zwischen den feindlichen Völkern. Die Gottheiten fanden im jeweiligen Kult ihre Entsprechung. Der Gottesdienst, der Totenkult erfolgten nach demselben Ritus. Dieser Krieg wurde geführt, weil es um Macht ging, um Land und Schätze und um die schöne Helena. Er wurde geführt, obwohl die Religion die verfeindeten Völker kulturell verband. Man möchte fast sagen, dass dieser Krieg trotz der Religion geführt worden ist.
Das hat sich mit der Erfindung des Monotheismus grundlegend geändert. Die monotheistischen Kulturen lassen nur den eigenen Gott zu, die Religion hat nichts Verbindendes mehr. Im Gegenteil: der Glaube trennt die Menschen. Mit einem Mal führt man Kriege nicht mehr trotz , sondern gerade wegen der Religion. Sie ist der Vorwand geworden, wenn es ums Kämpfen geht. Mit dem göttlichen Willen werden die eigentlichen Motive verschleiert, die sich in Wahrheit niemals geändert haben. Geändert hat sich nur die Überschrift: der Krieg ist heilig geworden.
Es wäre zynisch zu behaupten, die Kriege vor Erfindung des Monotheismus seien die Besseren gewesen. Sie waren auch sicher nicht gerechter. Kein Krieg ist gut oder gerecht. Auch nicht der Krieg im Namen Gottes.
E.A.S.
Blauer Montag, 12 Uhr 29; die Hand in der Wunde (1)
Vor dem Eingang zum Dommuseum öffnete Pater Donatus lächelnd die Arme. Doch Dr. Albertz streckte ihm nur die Hand entgegen.
»Gut dich zu sehen«, sagte der Pater. »Du hast dich kaum verändert.«
Dr. Albertz deutete leicht eine Verbeugung an.
»Wollen wir ein paar Schritte in diesem wunderbaren Kreuzgang gehen?«
Der Mönch setzte seinen massigen Körper in Bewegung.
»Ich hoffe, du hattest eine angenehme Reise?«
Dr. Albertz bejahte. Er betrachtete die grotesken Statuen und Grabplatten und ließ die morbide Atmosphäre auf sich wirken.
»Mein lieber Donatus, lass uns gleich zur Sache kommen. Ich bin gespannt, was es so Wichtiges gibt, das du keinem Brief anvertrauen kannst.«
»Nun ich sehe, du machst noch immer keine Umschweife. Du bist ein ausgezeichneter Kenner des Kirchenrechts und man sagt dir nach, ein gänzlich unabhängiger Mann zu sein. Genügt das, um zu erklären, weswegen ich dich
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