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Die Aufsteigerin

Titel: Die Aufsteigerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Cole
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paarmal mit ihr unterhalten, bis er herausgefunden hatte, dass sie eine Prostituierte war. Bei dem Gedanken, mit ihr ausgehen zu wollen und erst über den Preis verhandeln zu müssen, schmunzelte er. In England war er überzeugt gewesen, über alles Bescheid zu wissen. Hier kam er sich vor, als sei er noch längst nicht trocken hinter den Ohren.
    Die Arbeit als Schauermann hatte er leichter bekommen als erwartet, aber es war ein Knochenjob, und seinen Vater hatte man nur wegen seiner irischen Beziehungen angenommen. Das wussten sie beide, und jeder machte auf seine Weise von diesem Wissen Gebrauch. Seinen alten Job bei Danny Dixon vermisste Eamonn ganz und gar nicht.
    Er liebte New York, dieses Gewimmel von Menschen, diesen
Schmelztiegel der verschiedenen Kulturen, das Kaleidoskop der vielfältigen Probleme. City Hall war das Regierungszentrum des Bundesstaats, und die Leute sprachen von diesem Rathaus, als sei es eine Mischung aus dem House of Lords und der schlimmsten Militärjunta. Es war korrupt, es war grandios und es war da.
    Doch wie aufregend die Stadt auch zeitweilig sein mochte, er sah auch ganz deutlich ihre hässlichen Seiten. Spürte die Spannungen innerhalb der Unterklasse und hörte sehr wohl, wie die Leute redeten und redeten und im Grunde nie wirklich etwas sagten. Letztendlich war New York wie jede andere Metropole, nämlich nur mit viel Geld in der Tasche wirklich zu ertragen. Viel mehr als in London brauchte man hier Geld.
    Eamonn merkte, dass sein Vater neben ihn getreten war und seinen schwarzen Kaffee schlürfte. Wie üblich ging die Meckerei los. »Wenn du nur auf die Mahoneys hören würdest, könnten wir leben wie die Lords. Alles nur vom Besten haben. Die Iren herrschen in dieser verdammten Stadt, nur dass es bis jetzt niemand bemerkt hat. Die Spendensammlungen für Irland bringen ein Vermögen ein, und jeder, der kassiert, kann für seine Mühe mindestens fünfundzwanzig Prozent einsacken. Da kann einer Geld machen, gutes Geld, und gerade du müsstest das kapieren. Himmel auch, es gab mal ‘ne Zeit, da wärst du für ein paar Quid über Leichen gegangen …«
    Er redete nicht mehr weiter, denn er wusste, wann er zu weit gegangen war. »Sohn, die Zunge sollte ich mir abbeißen, das sag ich dir.«
    Die Stille war erdrückend. Schließlich wurde sie von Eamonn Junior durchbrochen. »Zieh dich warm an, Dad, es ist eiskalt draußen.«
    Stumm verließen sie die Wohnung. Eamonn Senior war noch immer zerknirscht wegen seiner Worte, und als sie die Treppe hinuntergingen, fasste er liebevoll aufmunternd die Schultern seines Sohnes.

    »Das Wetter zerreißt einem noch die Lungen. Ich kann mich nicht entsinnen, jemals so gefroren zu haben.«
    Auf dem Weg zum Busbahnhof hielt ein Auto neben ihnen, und auf Petey Mahoneys Pfiff hin blieben sie stehen. »Springt rein. Ich nehm euch mit. Gibt sowieso heute keine Arbeit für euch.« Sein breiter Cork-Akzent wollte so gar nicht zu seinem eleganten Aufzug passen. Er kleidete sich wie ein WASP der Oberklasse.
    Desinteressiert sah Eamonn den Mann an. Der Benzingeruch, der in der kalten Luft schwebte, legte sich schwer und heiß auf seine Lungen. Sein Vater stieß ihn sanft zum Wagen. Petey fischte ein Geldbündel aus seiner Tasche und steckte dem älteren Mann einen Fünfziger zu. Lächelnd sagte er: »Hier, mach einfach da weiter, wo du gestern Abend aufgehört hast. Um deinen Kleinen hier kümmere ich mich.« Er lachte über seinen Witz, und Eamonn, der wusste, dass ihm keine Wahl blieb, stieg in den Wagen.
    »Ist das nicht ‘ne spitzenmäßige Karosse?«, fragte ihn Petey, um ins Gespräch zu kommen. Eamonn lächelte. Das war es in der Tat - ein Pontiac Firebird, schwarz und schnittig, der sich jetzt schnurrend in den Verkehr einordnete.
    »Du könntest auch so einen fahren, wenn du nicht so sturköpfig wärst.« Petey hob vorsorglich die Hand, als müsse er einen Widerspruch abwehren, aber Eamonn hatte gar nichts gesagt. Er sagte nie etwas. »Schon gut. Ich stell ja nur klar, wie es ist. Wir brauchen junge Männer wie dich. Du hast dir doch bereits in der Heimat einen Namen gemacht. Warum weigerst du dich nur, für uns zu arbeiten?« Der letzten Frage war anzuhören, dass sie aus echtem Interesse gestellt wurde. Es gab jede Menge irische Burschen, die alles getan hätten, bei den Mahoneys einzusteigen. Eamonns Gleichgültigkeit machte ihn zur seltenen Ausnahme.
    Sie wussten, dass er zweimal gemordet hatte. Das mit dem Mädchen war eine bedauerliche

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